Kains Erben
zuwanken. »Du bringst Amicia nach Fountains Abbey!«, brüllte er ihm zu. »Was immer auch geschieht, du bringst sie dorthin!«
Er drehte das Schwert um, nahm die geschliffene Klinge in zwei Hände und drosch das Heft dem Schimmel auf die Kruppe, sodass der aus dem Stand in Galopp fiel und davonstob. Blut lief die Schneide des Schwertes hinunter. Matthew achtete nicht darauf und ließ es fallen.
Als er sich endlich dem Mörder zuwandte, der verwundet am Boden lag, wirkte er unendlich müde. Er rief den Hund zurück, nahm dem Mann die Gurte und sämtliche Waffen ab und warf bis auf das Schwert alles zur Seite. Sein Fuß fuhr nach hinten, um dem Mann in die Hüfte zu treten, doch im letzten Moment beherrschte er sich und setzte den Fuß wieder auf. »Steh auf«, sagte er mit erloschener Stimme. »Geh.«
»Er ist schuld an Magdalenes Tod!«, schrie Amicia, die im selben Augenblick spürte, wie Hände sich um ihre Schultern schlossen. »Bring ihn um! Tu wenigstens das!«
»Er hat Hugh getötet, den ich einen Dreck genannt habe«, stammelte Stephen, dem Tränen über das Gesicht rannen. »Und Bruder Schwellschwanz, der mich gerettet hat!« Er packte eins der Messer, die Matthew weggeworfen hatte, und setzte auf den Mann zu, um es ihm in die Brust zu rammen.
Mit bloßer Hand hielt Matthew ihn zurück.
In ihrem Rücken fühlte Amicia mindestens vier Hände und vernahm eine Stimme, die ihr vage bekannt vorkam. »Keine Angst, mein Kleines. Du bist nicht mehr unter Feinden.«
Sie wollte sich umwenden, doch das Geschehen vor ihr bannte sie. »Lass ihn gehen«, sagte Matthew zu Stephen.
»Aber er hat unsere Freunde getötet!«, weinte der Junge auf.
»Wir haben ihm das Pferd, die Waffen und die Männer genommen«, sagte Matthew. »Mehr kann ich ihm nicht tun. Wenn er es schafft, sich durchzuschlagen, soll er leben.«
So schnell, wie es ihm seine Wunden erlaubten, rappelte der Mörder sich auf und humpelte auf den Waldsaum zu. Stephen starrte ihm nach. Matthew drehte sich um und würdigte ihn keines Blickes. Der Schwerfälligkeit seiner Bewegung war anzumerken, dass er erheblich verletzt war. Wie viele Männer hatte er niedergerungen? Fünf? Zehn? Als er sich Amicia zuwandte, wurde offensichtlich, dass er nicht mehr würde kämpfen können, sondern aus etlichen Wunden Blut verlor. Der Hund an seiner Seite blutete auch, jedoch nur leicht aus dem Maul.
Die drei Männer, die Amicia währenddessen rückwärts zu ihren Pferden geschleift hatten, bemerkten anscheinend nicht, dass der Mann, der ihnen als letzter Gegner gegenüberstand, längst geschlagen war. Vielleicht glaubten sie, ein Mann, der mit solcher Wucht die Kämpfer um sich gefällt hatte, sei unbesiegbar. Oder sie vermuteten, er habe Verbündete, die jeden Moment eintreffen könnten. In jedem Fall sprangen zwei von ihnen auf die Pferde, während der dritte Amicia auf die Arme hob.
Sie erkannte ihn in dem Moment, in dem sie den Blick wandte. Er war Adam de Stratton, Isabel de Fortibus’ Verwalter, den sie als Kinder gefürchtet hatten. »Wir bringen dich in Sicherheit«, sagte er zu ihr. »Du musst dich nicht fürchten. Mit dem halbtoten Satan machen wir ein Ende, wenn der nicht schon verreckt ist, und seinen verdammten Sohn werden wir hetzen, bis er keinen Zug Atem mehr in sich hat. Für Abel. Das schwöre ich dir.«
»Lasst sie los!«, zerschnitt Matthews Stimme die Luft.
De Stratton stieß Amicia über seinen Sattel und schwang sich selbst hinterdrein.
Blutüberströmt und mit dem Schwert in den Händen setzte Matthew auf ihn zu. Die drei Männer hätten lediglich ihren Pferden die Sporen geben müssen und wären fort gewesen, ohne dass er ihnen hätte folgen können. Er rief dennoch erneut: »Lasst sie los!«
»Weshalb sollten wir das tun?«, schrie Adam de Stratton zurück.
»Ich gehe mit Euch«, sagte Matthew. »Wenn Ihr Amicia laufen lasst.«
De Stratton zögerte nur einen Augenblick, dann sprang er vom Pferd und riss Amicia mit sich hinunter. »Du wirst nicht behaglich krepieren, Camoys!«, rief er zu Matthew hinüber. »Auf unserer Burg steht, wie dir bekannt ist, ein Brunnen, aber dich dort hinunterzuwerfen ist zu billig, als dass du damit für Abels Tod zahlen könntest.«
»Ich weiß«, erwiderte Matthew ruhig, erteilte dem Hund einen Befehl und reichte Stephen sein Schwert.
»Und wer sagt dir, dass ich mein Wort halte?«, schrie Adam.
»Niemand«, antwortete Matthew noch immer vollkommen ruhig. Mit einem Kopfschwenk wies er auf Stephen und
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