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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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aber dazu bestand nicht der geringste Grund. Er schützte es nicht vor Blicken, sondern trug sein Schandmal wie andere ein Ehrenzeichen. »Ich bin zu Euch in Eurer Eigenschaft als Abt von Quarr gekommen – oder besser zu Eurem Novizenmeister. Nur gibt es vorher noch etwas, das nicht warten kann.«
    Randulph wusste allzu gut, was die Vorschrift über Männer besagte, die um Aufnahme ins Kloster nachsuchten. Sie waren mit Härte und Abstand zu behandeln, damit der Schritt ihnen nicht zu leicht gemacht wurde, und keiner war dem anderen vorzuziehen. Es war ihm einerlei – er pfiff darauf. Sein Herz vollzog zum dritten Mal einen Satz. Er stand auf, trat vor den Mann und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Ist es dir damit ernst?«
    Die Muskeln unter seinen Händen waren hart wie Eisenstränge. Mit zwei Fingern strich Randulph darüber, um die Spannung zu lösen.
    Der Mann unterdrückte ein Stöhnen. »Ich weiß, ich bin nicht würdig.«
    »Das ist keiner von uns.«
    »Dann sagt mir, was ich tun muss, um erwogen zu werden. Ich bitte Euch.«
    »Nichts«, sagte Randulph. »Nur um Gnade beten und sie annehmen.« Er hörte auf, den verspannten Rücken des Mannes mit zwei Fingern zu streicheln und nahm stattdessen die ganze Hand. »Als dein künftiger Abt würde ich dieses Gespräch an dieser Stelle beenden und meinen Novizenmeister zurückholen.«
    »Augenblick!«, fuhr der Mann auf und schoss in die Höhe. »Vorher müsst Ihr mir unbedingt sagen, wo …«
    »Scht«, machte Randulph, drückte ihn wieder nieder und klopfte ihm auf die Lippen. »Den Mund halten. Unter keinen Umständen deinem Abt dazwischenreden. Das ist etwas, das du lernen solltest, ansonsten handelst du dir ziemlich viel Ärger ein.«
    Einen Herzschlag lang lächelte der Mann. »Das geht in Ordnung. Ein bisschen Ärger bin ich ja gewohnt. Nur dieses eine muss ich vorher noch zu Ende bringen.«
    »Aber erst einmal lässt du mich ausreden, ja? Ich habe dir gesagt, was ich als dein künftiger Abt tun würde. Jetzt sage ich dir, was ich als dein Pate tue: Ich warne dich, Matthew. Hast du dir überlegt, was du aufgibst? Du hast dir aus eigener Kraft eine Menge aufgebaut. Mit diesem Schwert, mit dem ich mich immer linkisch angestellt habe, giltst du als nahezu unschlagbar. Es heißt, die Stücke, die der König auf dich hält, werden ständig größer und deine Leute verehren dich.«
    »Und wofür?«, begehrte er auf. »Ich habe versucht, diesen Platz in der Ordnung, an den ich gestellt bin, trotz allem auszufüllen, aber ich weiß schon lange nicht mehr, was diesen Platz bestimmt. Die Meisterschaft im Töten? Jetzt, wo wir in Wales alles kurz und klein geschlagen haben, gehen wir vermutlich nach Schottland und schlagen dort alles noch kürzer und noch kleiner. Vorher nehmen wir noch ein paar hungernden Bauern ihr klägliches Einkommen weg, um unsere Schwerter zu wetzen. Und das macht uns zu Helden?«
    »Mäßige dich!«, befahl ihm Randulph.
    »Verdammt …«
    »Ich höre wohl nicht richtig.« Randulph hatte Mühe, sich ein Schmunzeln zu verbeißen. »Unter diesem Dach hast du dir besser zum letzten Mal den Mund mit solch einem Wort beschmutzt.«
    »Ich schwöre es«, murmelte der andere. »Bitte verzeiht.«
    Randulph packte ihn fest unter dem Kinn und zwang ihn, ihn anzusehen. »Wir fluchen hier nicht«, sagte er, »und schwören tun wir auch nicht, denn wir halten unser Wort mit Gottes Hilfe. Du hättest ziemlich viele schmerzliche Lektionen zu lernen, mein Freund.«
    »Bekommt Ihr hier niemals schwierige Fälle?«
    »So schwierige wie dich? Kaum. Aber mein Prior würde sagen, die schwierigsten Fälle geben die besten Mönche ab, weil sie das, was sie wollten, immer wieder aufs Neue prüfen und erkämpfen mussten. Wenn du jetzt noch ein Kompliment möchtest, steh lieber auf und geh zu deinem König, denn hier wirst du nie wieder eines bekommen.« Randulph ließ sein Kinn los.
    Der junge Mann stöhnte, und als Randulph ihn um den Hinterkopf fasste, lehnte er sein Gesicht an dessen Knie. »Ich habe das alles so satt«, murmelte er in den Stoff von Randulphs Kutte. »Das Sich-Beweihräuchern und Sich-auf-die-Schultern-Klopfen, weil man mehr Arme, Beine und Köpfe von Rümpfen getrennt hat als der Nachbar, das Anrennen gegen irgendwas und irgendwen, weil man die Stille mit sich selbst nicht erträgt. Der blanke Hohn, der den Blutrausch, in den Männer geraten, als Tapferkeit feiert. Ich bin so müde, Randulph. Ich halte diesen Lärm nicht mehr aus. Bitte

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