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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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falsch Zeugnis reden«, murmelte Cyprian. »Randulph bräche wohl kaum ein Gebot, wenn es sich um eine schlichte Landarbeiterin handelte, oder?«
    »Gewiss nicht. Und wenn es sich um eine Gespielin handelte, schöbe er sie einem anderen zu.«
    »Du bist ein kluges Köpfchen, Robert.« Cyprian trank von seinem Wein, der ihm auf einmal wieder schmeckte, ließ sich in die Polster sinken und blickte noch einmal in Adams Gesicht. Im flackernden Licht, das die Kerzen auf den Wandteppich warfen, kam es ihm vor, als erkenne er Angst in den Augen des Mannes. Ist es denn möglich?, stellte er sich die bohrende Frage. Kann das Mädchen entkommen sein und überlebt haben? Wie ein sofortiges Echo lieferte sein Verstand ihm die Antwort: Es war nicht möglich, es sei denn, es hatte einen Verrat in seinen eigenen Reihen gegeben.
    Cyprian kniff die Augen zusammen und gab sich flüchtig der Vorstellung hin. Zu seinem Bedauern war ihm Verrat alles andere als fremd. Die Erfahrung schmerzte ihn noch immer. Er, der von der eigenen Familie im Stich gelassen worden war, hatte den Kreis seiner Vertrauten als neue Familie betrachtet und hätte für jeden der Männer die Hand ins Feuer gelegt. Wie aber sollte ein Mann für ein gottgegebenes Recht kämpfen, wenn in der Welt kein Verlass und keine Treue waren? Die Genugtuung, die ihm die Bestrafung des Treulosen verschafft hatte, war nicht mehr als ein Tropfen Salbe auf einer vereiterten Wunde gewesen. Immerhin aber hatte dieser Verräter, wenn es ihn also tatsächlich gab, ihm ein Pfand in die Hände gespielt, mit dem das ganze Spielbrett auf einen Schlag neu aufgestellt war. Am Ende würde ihm doch noch der Sieg winken – nicht süß wie einst erhofft, aber triumphal in seiner Bitterkeit.
    »Wir schicken noch einmal einen Trupp Männer los«, sagte er zu Robert. Den Verlust, den er zuvor gefürchtet hatte, musste er wohl doch in Kauf nehmen. »Sie sollen diesen frömmelnden Teufeln keinen friedlichen Herzschlag gönnen, ehe die verraten, wer das Mädchen ist.«
    Grüßend hob er den Becher. Auf deine Gesundheit, Adam de Stratton – auf dich und auf alle Verräter. Womöglich ist doch nicht die Insel das Teuerste, was ich dir nehmen kann. Womöglich gibt es sogar Teureres als das Weib, das dir im Grunde nicht einmal gehört.

8
    S
ooft sie die Amsel mit ihrem Herrn Matthew sah, bohrte sich der Stachel der Eifersucht in Magdalenes Herz. Die Amsel konnte alles, was sie selbst gern gekonnt hätte: Sie hatte ihn von den Toten zurück ins Leben geholt, sie wusste ihm Tränke zu bereiten, die ihm langsam, aber stetig die Kraft zurückbrachten, und Salben aufzulegen, die die furchtbaren Schmerzen linderten. Wochenlang war er zu schwach gewesen, um die Augen aufzuhalten, erst recht, um sich zu rühren, doch seit er stark genug war, eine Zeit lang aufzusitzen, sprach er mit der Amsel über Dinge, die eine törichte Gans wie Magdalene nicht verstand. Sie sah, wie er der Amsel mit seinen Blicken folgte, und es versetzte ihrem Herzen Stiche. Dennoch war sie so glücklich wie nie in ihrem Leben.
    Sie hatte ein Heim. In dem kleinen Haus lebten sie wie eine Familie, als wären Herr Matthew und die Amsel die Eltern und sie und Hugh, der im Verschlag sein Lager hatte, ihre behüteten, wohlversorgten Kinder. Stets war das Feuer geschürt und der Tisch gedeckt, stets gab es Sirup zur Grütze und eine Paste aus Spitzwegerich, die auf die Brust gerieben wurde und Erkältungen fernhielt. Hugh und Mag hatten aus der Kleiderkammer des Klosters Stiefel erhalten, obgleich der Winter auf der Insel mild und kein Vergleich mit dem grimmigen Wüten war, das sie aus Yorkshire kannten. Hier war die harsche Jahreszeit geradezu schön: Raureif ließ die kahlgeschorenen Felder glitzern. Vom Dach der Hütte wuchs eine Reihe Eiszapfen, die in der Wintersonne wie Juwelen funkelten.
    Ach, die Insel, die Insel! Magdalene hätte jeden Morgen hinauslaufen und die Arme ausbreiten wollen, um sie mit ihnen zu umfangen. Solange der Boden nicht überfror, arbeitete Bruder Timothy, der wie eine Art Vetter zur Familie gehörte, im Freien mit den Pferden. Er gestattete Magdalene, ihm mit der Pflege von Althaimenes zu helfen, und gemeinsam sorgten sie dafür, dass das Fell des Fuchses glänzte, dass er in seiner Raufe duftendes Heu und Hafer fand und reichlich Bewegung bekam. Schließlich verschaffte Timothy dem Hengst noch ein besonderes Vergnügen: Um die Rasse zu veredeln, führte er ihm zwei der zottigen Stuten zu.
    Hingerissen sah

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