Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
Vom Netzwerk:
Robert zog die schiefe Schulter in die Höhe. »Der königliche Verwalter sendet ein mahnendes Schreiben. Die Gelder, die ihm im Herbst hätten zugehen sollen, sind noch immer nicht eingetroffen.«
    Cyprian wollte es nicht hören, wollte nicht die ewige Wiederholung seiner Niederlage durchleben wie einer, der gegen Wände rannte. Sein Leben lang hatte er darum gekämpft, die Schande seiner Familie wettzumachen und von seinem König Vergebung zu erlangen. Hatte er nicht dafür drangegeben, was ein Mensch nur geben konnte – viel mehr als das eigene Leben? Ganz gewiss hatte er erwartet, eine Einladung an den Hof zu erhalten, wenn nicht für sich selbst, so zumindest für sein Fleisch und Blut. Er selbst konnte verzichten, wenn nur seine Familie wieder unter die großen Geschlechter Englands treten durfte, die sich dort versammelten, wo Macht und Glanz ihr Zentrum hatten. Wenn sie nur teilhaben durften an der Prägung des neuen England, an seinem Weg zur Größe! Stattdessen war auch sein neuestes Vorhaben schiefgegangen, und einmal mehr blieb sein Name außen vor. Er war dort zu Fall gebracht worden, wo der Stolperstein seines Lebens lag. Auf der Isle of Wight.
    Jäh fuhr er zu Robert herum. »Haben Eure Leute mit Randulph gesprochen?«
    Der Bucklige nickte. »Er beteuerte auf sämtliche Fragen, er wisse von nichts.«
    Cyprian stöhnte. Wäre er nur fünf Jahre jünger gewesen und hätten ihm sein Leben und die Enttäuschungen nicht so tief in den Knochen gesessen, er wäre im Morgengrauen aufgebrochen, um selbst herauszufinden, was auf der verfluchten Insel vor sich ging. Wer dahintersteckte, war ihm klar. Es gab nur einen, der dafür infrage kam. Von seinem Weinbecher flog sein Blick wieder zu dem Gesicht auf dem Teppich.
    Ich werde dich aus deinem Paradies treiben, schwor er dem Mann, den er hinter der Knüpfarbeit zu erkennen glaubte. So wie du mich vertrieben hast. Dein vom Schmerz verzerrtes Gesicht will ich sehen und mich für alles daran schadlos halten.
    Tatsächlich aber waren Cyprian die Hände gebunden, bis im April der Schnee taute. Das Wetter trieb es täglich toller. Das Mädchen, das er auf bloßen Sohlen hinausgeschickt hatte, mochte sich wahrhaftig die Füße abfrieren, und die Aussendung eines neuen Trupps hätte den Verlust von Männern und Pferden bedeutet. An das, was er womöglich schon verloren hatte, verbot er sich zu denken. Wie hatte sein König gesagt, dessen Härte gegen sich selbst ihm ein Vorbild war? Der Tod eines Vaters schmerzt, doch der Tod eines Kindes lässt sich leicht ertragen, weil Kinder im Handumdrehen zu ersetzen sind. In der Tat hatte König Edward seine verlorenen Kinder ersetzt und besaß in dem neunjährigen Alphonso nun einen Kronprinzen, der sein Augapfel und sein Ebenbild war, einen Sohn, wie ihn sich jeder Vater gewünscht hätte. Was hinderte einen gesunden Mann, es ihm nachzutun?
    »Setzt Euch zu mir, Robert«, forderte Cyprian den Buckligen auf. »Ich werde nicht den Boten umbringen, weil die Nachricht schlecht ist, also nehmt Euch einen Becher Wein.«
    Der Bucklige tat, wie ihm geheißen. »Eine Kleinigkeit gäbe es noch, Mylord Baron. Sie kann alles bedeuten oder nichts.«
    »Lasst hören.«
    »Rund um Quarr geht unter den Laien und denen, die um Almosen kommen, ein seltsames Gerücht. Es gibt ein Mädchen dort, ein Geschöpf mit geschorenem Kopf, das bei der Landarbeit hilft.«
    Cyprian überlegte, konnte dieser Mitteilung aber nichts von Bedeutung abgewinnen. »Nun schön, das mag nicht ganz der Regel entsprechen«, brummte er. »Aber auch bei Fountains leben Frauen und verrichten Frauenarbeit. Selbst Frömmler wie die weißen Mönche kommen nicht gänzlich ohne sie aus.«
    Wieder nickte der Bucklige. »Das Gerücht besagt allerdings, das Mädchen sei hinter Klostermauern aufgezogen worden und habe mehr als zehn Jahre unter den Brüdern gelebt.«
    Cyprian war kein Mann, der gern lachte, doch bei dieser Vorstellung prustete er schallend los. »Mehr als zehn Jahre, sagt Ihr? Hinter den Mauern von Quarr? Das ist köstlich, Robert, ganz köstlich! Der heilige Randulph zieht sich im geweihten Kämmerlein ein Hürchen heran.« Dann fiel sein Blick auf das Gesicht des Kastellans, und sein Gelächter erstickte. »Mehr als zehn Jahre?«, entfuhr es ihm krächzend. »Haben unsere Leute das Mädchen gesehen?«
    Robert schüttelte mit einer eckigen Bewegung den Kopf. »Der Abt hat die Kleine abgeschirmt. Er hat sogar geleugnet, dass es sie gibt.«
    »Du sollst nicht

Weitere Kostenlose Bücher