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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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gelassenen Brüdern Ochsenbrühe. Auf die Belange hier sehe ich.« Zur Ader gelassen wurden alle Brüder von Zeit zu Zeit. Es hielt sie gesund, und damit sie sich schneller erholten, durften sie sich hinterher im Kalefaktorium, das bis Ostern geheizt wurde, aufwärmen und ein Quantum vom sonst gemiedenen Fleisch vierfüßiger Tiere essen. Zweifellos wusste Justin selbst, dass sein Abt ihn nicht deswegen fortschickte, sondern weil er ungestört sein wollte.
    Erst als der Kellerer gegangen war, winkte Randulph den Einbeinigen hinein. Der Wind warf die Tür zu, und Randulph legte den Bolzen vor. Wer jetzt noch um Almosen kam, würde leer ausgehen. »Komm mit.«
    Eilig ging er dem Gast voraus in den Gang mit den Futterluken. Hinter sich vernahm er das Pochen, mit dem die Krücken auf den Stein trafen. Der Gang war niedrig und feucht, aber niemand würde den Besucher hier zu Gesicht bekommen.
    »Wie scheußlich!« Wahrhaftig wie ein Bär schüttelte sich der Gast die Tropfen aus dem Fell. »Dieser finstere Winkel eignet sich bestens, um jemanden zu meucheln, oder?«
    Randulph blickte seinem Gegenüber in das dunkle Gesicht. Nicht wenige sahen in diesem Mann den gefährlichsten Bewohner Englands, und es gab kaum eine Gräueltat, die man ihm nicht zutraute. Randulph hätte ihm selbst den Mord am Heiligen Vater zugetraut, und doch hatte er keine Angst. Wie Burgen hatten auch die gefährlichsten Männer ihre Schwachstellen, und die Schwachstelle seines Besuchers kannte keiner so gut wie er. »Was willst du?«, fragte er ihn scharf.
    »Hast du nicht wenigstens eine Sitzgelegenheit, die du einem armen Krüppel anbieten kannst?«
    »Den armen Krüppel kannst du dir sparen. Ich habe dich gefragt, was du willst, Adam, und ich habe nicht vor, noch lange auf die Antwort zu warten.«
    Der andere ließ die Krücken fallen und zerrte sich die Kapuze vom Kopf. Wie sie alle war er um ein Jahrzehnt gealtert, aber angesichts seiner verkommenen Schönheit wirkten die Spuren des Alters geradezu bestürzend. Wie eine Frucht, die zu faulen beginnt, dachte Randulph. Noch einen Atemzug lang ist sie so süß wie niemals zuvor, und im nächsten liegt sie verdorben auf dem Dunghaufen. Adams Tonsur, geschoren zum Gedenken an die Dornenkrone Christi, war wie eh und je von dunklem Flaum überwuchert. Der Mann war wie Unkraut. Alles an ihm wuchs.
    »Du weißt, was ich will«, sprudelte es aus dem Besucher heraus, und in der Tat, Randulph wusste es.
    Wieder schwiegen sie. Wie um mit seinem Pochen die Zeit zu messen, tropfte Wasser von den Wänden.
    »Randulph«, sagte Adam endlich, und jetzt klang die schöne Säuferstimme so kleinlaut und gedrückt wie damals.
    »Ich höre«, sagte Randulph.
    »Wo ist sie?«
    Randulph lehnte sich an die Mauer. Nässe durchdrang den Stoff seiner Kutte und rann ihm wie ein lebendes Tier den Rücken hinab. »Wo soll sie sein?«
    Mit einem Satz war der andere bei ihm, wobei sich das abgebundene Bein befreite. Hände von mörderischer Kraft umschlossen Randulphs Schultersehnen. »Sag es mir, Randulph. Du kannst es mir nicht vorenthalten!«
    »Lass mich los«, gebot ihm der Abt. »Ich habe nicht die Absicht, dir etwas vorzuenthalten, aber ich spreche grundsätzlich nicht mit Menschen, die Gewalt für ein Mittel der Überzeugung halten. Schlechte Erfahrungen. Du verstehst?«
    Adam schnaufte und gab Randulphs Schultern frei. »Seit wann würde ich dir Gewalt antun? Warum denken eigentlich alle, selbst meine Freunde, das Schlechteste von mir?«
    »Ich bin nicht dein Freund, Adam. Wenn du so etwas wie einen Freund überhaupt besitzt, dann dürfte er auf der Motte von Carisbrooke wohnen. Und da man Isabel de Fortibus den schärfsten Verstand nachsagt, der je in einem weiblichen Kopf gehaust hat, bin ich sicher, sie denkt noch schlechter von dir als ich.«
    »Zum Teufel, sag mir endlich, was du mit dem Mädchen getan hast, ich habe das vermaledeite Geschwafel satt!«
    »Du befindest dich in einem Gott geweihten Gebäude«, ermahnte ihn Randulph. »Dich daran zu erinnern, dass du dich selbst Gott geweiht hast, ist zweifellos zwecklos, aber in meiner Abtei enthältst du dich bitte des Fluchens.«
    Höhnisch lachte der andere auf. »Ich bin nur der Bastard des Stallmeisters, Randulph! Kein in Seidenwindeln gehätscheltes Herrensöhnchen. Wenn du deinem Gott meine Flüche ersparen willst, dann sag mir, wo das Mädchen ist.«
    »Warum schert es dich? Hat es dich in den letzten elf Jahren geschert?«
    »Ich habe immer Männer hier

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