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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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leicht.«
    Wieder stöhnte er, zog sie noch dichter zu sich, und dann tat er etwas, was nie zuvor ein Mensch mit ihr getan hatte: Er küsste sie. Erst in den Nacken, dann den Hals hinauf und auf die Wange, endlich auf den Mund und zuletzt in den Mund hinein.
    Es war das Schönste, das sie je erlebt hatte, es löschte Angst und Einsamkeit aus, und es durfte nie wieder aufhören. Zudem war es verblüffend einfach. Sie wusste sofort, wie sie ihn wiederküssen musste, und sie hatte nie etwas so sehr gewollt, wie ihn zu küssen, ihn zu halten, ihm so nahe zu sein, als wären sie nicht zwei, sondern eins. Der Stoff sollte fort, all der hindernde Stoff auf seiner Haut. Sie zerrte daran und küsste ihn zugleich, kostete Lippen, Zunge, Zähne und Gaumen, bis er sich sacht, aber bestimmt befreite.
    »Nicht, Amicia. Das nicht.«
    Wie hatte sie jemals denken können, er sei nicht schön? In den schwarzen Augen, die ihr so viel Angst gemacht hatten, blitzten Erstaunen, Übermut und Zärtlichkeit. Sein Gesicht erschien ihr wie aus Holz geschnitzt und geschliffen, und das Haar war im Licht der Stalllaterne goldbraun, nicht ganz glatt und zu kräftig, um fügsam zu sein. Sie wollte ihn immerfort ansehen, dann wiederum wollte sie ihn haben und so nah halten, dass keiner von ihnen mehr den anderen ansehen konnte, und sie wollte ihn küssen. Das mehr als alles andere.
    Er lachte und hielt sie von sich weg. Sie rang mit ihm, versuchte, sich zu befreien, doch für ihn war es ein Leichtes, ihr beizukommen. »Das geht nicht, du zauberhaftes Mädchen. Das dürfen wir nicht.«
    »Was geht nicht?«, rief sie wild und zappelte. »Was sollen wir nicht dürfen?«
    Er ließ ihren rechten Arm los und legte ihr einen Finger auf den Mund. »Weck die anderen nicht auf. Und lass mich jetzt gehen.«
    Wie konnte er auch nur daran denken? »Wohin willst du?«
    »In den Stall. Ich schlafe dort.«
    »Dann komme ich mit.«
    Er strich ihr zärtlich das Haar aus der Stirn und schüttelte den Kopf. »Bitte lass mich nicht das Scheusal sein, das ich bin.«
    Vor Verwunderung musste sie lachen. Wie er jetzt vor ihr saß, war er von einem Scheusal so weit entfernt, dass seine Bitte absurd klang. »Was tut denn das Scheusal?«, rief sie tollkühn und küsste ihn aufs Ohr.
    Mit einer Kopfbewegung wies er auf die schlafende Magdalene. »Das weißt du selbst.« Aus seiner Stimme war alle Heiterkeit verschwunden. »Es schändet Frauen, schwängert sie und lässt sie liegen. Im schlimmsten Fall bringt es sie um und schert sich nicht darum.«
    Schwerfällig, wie unter der Last seiner Rüstung, stand er auf, nahm die Laterne und ging die wenigen Schritte zur Tür. Sie sah seinem Rücken und seinen gebeugten Schultern nach. Was auch immer er getan hatte – in diesem Augenblick flog ihr Herz ihm zu. Wenn es auf der Welt einen Menschen gab, der einsamer war als sie, dann war es der Mann, der sich eben aus ihren Armen befreit hatte und jetzt das Zimmer verließ.
    »Es macht mir nichts aus«, rief sie, sprang aus dem Bett und ihm hinterher. Von hinten schloss sie die Arme um ihn und lehnte ihr Gesicht an seinen Rücken. »Ich stehe außerhalb der Ordnung, Matthew. Für mich gilt keine Regel.«
    Er zog sie mit sich auf den Gang und schloss die Tür hinter ihnen. Sachte, geradezu behütend schloss er die Arme um sie. »Kannst du das noch einmal tun?«, bat er leise.
    »Was?«
    »Meinen Namen sagen.« Er senkte den Blick.
    Sie reckte sich und strich ihm das Haar zurück. »Matthew, Matthew, Matthew. Ich sage es die ganze Nacht lang, wenn du willst.«
    Ohne sie anzusehen, nahm er ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen. Dabei bemerkte sie die tiefen blutigen Striemen auf seinem Handgelenk – als hätte er es sich in blinder Wut aufgekratzt. »Du wirst in eine Ordnung gehören«, sagte er. »In die Ordnung von Frauen, die wie die Zisterzienser nach der Regel des heiligen Benedikt leben. Nahe bei Gott. Du hast es verdient, und du darfst mir nicht erlauben, es dir zu zerstören. Ich bitte dich, mach mich nicht schlechter, als ich bin.«
    Stöhnend hob er den Kopf. Das Flackern in seinen Augen entsprang keinem Zorn, sondern etwas, das Amicia nie zuvor gesehen hatte und dennoch sofort erkannte: Verlangen. Der Mann in ihren Armen wollte sie mit aller Kraft seines Körpers und hatte den Kampf, den er dagegen führte, so gut wie verloren.
    Der Sturm, der ihn schüttelte, war ein Echo des Sturmes in ihr. Sie reckte sich noch einmal und küsste die Grube an seinem Hals. »Heute Nacht

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