Kains Erben
waren und dass er vor nichts haltmachen wird, wenn er erfährt, dass sie lebt.«
»Doch«, sagte Randulph, »vor etwas wird er haltmachen, und das habe ich der Amsel mitgegeben.«
»Was?«
»Den jungen Ritter, den deine Männer beinahe zerfleischt haben. Matthew de Camoys.«
»Matthew …« Adams blühendes Gesicht wurde fahl. »Dieser Eintreiber, mit dem ich meiner Rotte ihren Spaß gelassen habe – das war der kleine Matthew? Und er ist nicht tot?«
»Das ist wahrlich nicht dein Verdienst«, erwiderte Randulph kalt. »Ich habe in meinem Haus Verletzte zur Pflege gehabt, die von wilden Bestien angegriffen wurden, aber einen Mann, der so zugerichtet war, habe ich noch nicht gesehen.«
»Kreidest du es mir an?«, fragte Adam tückisch. »Ich dachte, du wüsstest, welche Späße sich Cyprian mit seinen Opfern leistet.«
»Matthew ist nicht Cyprian. Außerdem wusstest du nicht einmal, dass es sich um Matthew handelt.«
»Nein, denn sonst hätte ich ihm jeden Hieb hundertmal verpasst, bis vor Blut und Fetzen kein Mensch mehr zu erkennen gewesen wäre!«, rief Adam. »Eigenhändig hätte ich ihm den letzten Funken Leben ausgepresst, darauf kannst du Gift nehmen. Du hast nicht im Ernst meine Amsel diesem Menschen anvertraut, nicht wahr? Du hast sie nicht ihrem Mörder in die Hand gegeben, so entmenscht bist nicht einmal du!«
»Genau das habe ich getan«, sagte Randulph und schlang die Arme um sich, weil ihm eine Kälte in den Leib kroch, die nicht von den feuchten Mauern stammte. Die Vesperglocke begann zu läuten, ein vertrautes Geräusch, das ihm ein wenig Halt schenkte. »Es gibt keinen Beweis dafür, dass er ein Mörder ist, aber falls es dich beruhigt: Er weiß nicht, wer sie ist. So wenig, wie sie es von ihm weiß.«
»Und wenn er es herausfindet?«
Randulph, der denselben Gedanken Tag und Nacht wälzte, zwang sich, mit den Schultern zu zucken. »Ich vertraue ihm.«
»Du musst wahnsinnig sein.« Adam warf sich die Kapuze über und wollte losstürmen, drehte sich aber noch einmal um. »Das eine lass dir gesagt sein, Randulph: Wenn ich die Amsel nicht einhole, bevor dieser Satan ihr ein Haar gekrümmt hat, dann gnade dir dein Gott! Der allein mag auch verstehen, warum du das getan hast.«
»Um die Amsel vor Cyprian zu schützen«, sagte Randulph. »Und Matthew vor dir.«
»Ha!« Adam schwang herum, dass der Bärenpelz eine Fontäne von Tropfen versprühte, und lief mit donnernden Schritten durch den Gang. An dessen Ende wandte er sich ein letztes Mal nach Randulph um. »Ich kann nur hoffen, dass du dich in Cyprian nicht täuschst!«, rief er. »In mir nämlich täuschst du dich fatal. Ich werde Matthew de Camoys die Augäpfel aus dem Schädel quetschen, ehe ich ihm das Lebenslicht ausblase. Ich werde ihn um Gnade winseln hören, und wer immer bei ihm ist, er schützt ihn nicht.«
15
D
as Wetter blieb unbeständig und feucht, doch als Magdalene wieder halbwegs bei Kräften war, zog der kleine Trupp weiter. Matthew erstand für das Maultier eine Eselskarre, damit das Mädchen nicht im Sattel sitzen musste.
»Darin liege ich wie die Königin von England in der Sänfte«, rief Magdalene und gab Matthew einen schnalzenden Kuss auf die Wange. Er hatte sich ihr nicht schnell genug entwinden können und stand nun da, als hätte sie ihn begossen.
Amicia musste lachen. Sie wäre gern zu ihm gelaufen und hätte die Arme um ihn gelegt. Vertrautheit und Zärtlichkeit zwischen ihnen blieben jedoch den Nächten vorbehalten, in denen er sie zu sich holte. Dann klammerten sie sich mit derselben verzweifelten Wildheit aneinander wie in der Nacht nach dem Überfall. Sie hätten einander Fragen stellen müssen, denn es war, als kreisten in der engen Box, in der Matthew sein Lager hatte, all die Fragen um sie, sodass sie sich nicht bewegen konnten, ohne sich an ihnen zu stoßen. Aber sie blieben ungestellt. Nur einmal hatte Amicia sich vorgewagt. In der Kühle eines grauen Morgens hatten sie sich unter der Decke zusammengedrängt. »Bald brechen wir auf«, hatte Matthew zu ihr gesagt. »Ich werde Hugh und Timothy sagen, sie dürfen dich nicht aus den Augen lassen, und ich will, dass du dich nie von ihnen entfernst.«
Ehe sie etwas sagen konnte, raufte er sich das Haar und stöhnte. »Nein, das genügt nicht. Zwei Kerle, die beide nicht mit Waffen umgehen können, taugen nicht zu deinem Schutz. Wir werden uns alle nicht mehr trennen, bis wir in London sind, und wir werden auf Umwegen gehen, um unsere Spur zu
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