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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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murmelte sie schläfrig und glücklich und küsste ihn irgendwohin. »Auf Quarr setzt es fürs Fluchen Rutenschläge, aber bei einem Flegel wie dir ist ja Hopfen und Malz verloren.«
    Sie spürte noch, wie er sie sachte ins Stroh bettete und die Decke über sie breitete, dann schloss sich der Schlaf um sie, und in dieser Nacht war er freundlich und kam ohne Träume.

16
    S
echs schwere Ochsen legten ihr Gewicht in die Siele, um den Rahmen des Pfluges von der Stelle zu bewegen. Mit einem Knirschen senkte sich die Schar und grub ihre Wunde in den steinigen Grund. Das neue Feld verlangte Schweiß und Tränen, aber es würde den Einsatz lohnen und den Reichtum der Gemeinde mehren. Wootton gehörte zu den florierenden Dörfern, in denen die meisten Bauern sich ihr eigenes Ochsengespann hielten. Drei von ihnen hatten bereits am Morgen ihre Gespanne in die Senke geführt, um ein Stück frisch gerodetes Waldland urbar zu machen. Der Boden war hart und durchzogen von Wurzeln, selbst mit dem großen Pflug würde es Tage dauern, ihn so weit zu lockern, dass die Furchen Saatgut aufnehmen konnten. Das Saatgut trug Isabel in einem Sack vor dem Sattel. Sie würde es später einem der Männer übergeben. Ihnen bei der schweißtreibenden Arbeit zuzusehen und sie später zu belohnen verschaffte ihr Befriedigung wie wenig sonst.
    Und wenn mein ganzes Leben ein Fehlschlag war – das eine ist mir gelungen. Unserer Insel, Baldwyn, geht es gut.
    Sie stellte sich in den Steigbügeln auf, um zu beobachten, wie die Tiere die Hufe in die Erde stemmten und wie die Männer, die sie am Kopfzeug führten, ihre Rücken krümmten. Als Kind hatte Isabel ein paarmal – so selten, dass sie es an den Fingern zählen konnte – mit Baldwyn am Rand eines Feldes stehen und bei der Landarbeit zuschauen dürfen. »Wenn ich ein Mann bin«, hatte Baldwyn, klein, wie er war, gesagt, »will ich auch so viel Kraft haben und die Erde der Insel pflügen.«
    »Aber das kannst du doch nicht!«, hatte Isabel ausgerufen. »Du wirst ein Graf und der Führer deiner Ritter, Baldwyn! Du wirst für die Insel kämpfen.«
    »Ich glaube, ich würde lieber pflügen«, hatte Baldwyn geantwortet. »Zum Kämpfen taugt Adam besser. Außerdem greift doch niemand die Insel an, sie gehört für immer uns.«
    Vielleicht hatten die ersten Menschen im Paradies dasselbe geglaubt: Es gehört für immer uns, und niemand greift es an. Mit einem hatte Baldwyn recht gehabt: Er hatte nicht zum Kampf getaugt. Er hatte allerdings auch nie die Kraft erlangt, die ein Bauer brauchte, um die Erde der Insel zu pflügen. Stattdessen war er ein Gelehrter und Genießer gewesen, der kostbare Handschriften sammelte, sich von seinem walisischen Spielmann verträumte Weisen vortragen ließ und dazu in kleinen Schlucken edlen Wein trank. Um den Frieden seiner Insel zu bewahren, hatte sich Baldwyn in einen Kampf begeben, der nicht der seine war und von dem er nichts verstand. Er taugte nicht dazu. Der Kampf hatte ihn ausgelöscht.
    Wo das Metall der Schar ins Erdreich schnitt, stoben Brocken auf, und den Männern mit den Ochsen lief der Schweiß die bloßen Rücken hinunter. »Nur noch eine Furche«, rief der Ältere dem Jüngeren zu, »nur noch eine, dann haben wir uns unseren Schinken zum Abend verdient.«
    Vater und Sohn, wusste Isabel. Männer, auf die daheim Frauen mit dünnem Ale, hartem Brot und wenig Fleisch warteten. In ihrem Rücken vernahm sie Hufschlag. Jemand ritt in scharfem Galopp den von Fuhrwerken geschaffenen Pfad hinunter und dann die Anhöhe hinauf.
    Isabel drehte sich erst um, als der Reiter fast herangekommen war. Sofort erkannte sie, dass es Roger war, ein farbloser, aber bis ins Mark verlässlicher Mann, der als Stewart ihrer Dienerschaft vorstand und auf die Verwaltung der Güter sah, wenn Adam nicht da war. Und wann ist Adam schon da?, fragte Isabel sich bitter. Den Winter hatte er fern der Insel verbracht, dann war er für ein paar Wochen aufgetaucht wie der verlorene Sohn, nur um nach Tagen in einen Zustand finsterster Unrast zu versinken. Kurz darauf war er erneut verschwunden, ohne ihr zu sagen, was er plante.
    »Ich bedaure, Euch zu stören, Mylady.«
    »Ihr werdet Eure Gründe haben.«
    Der Stewart nickte. »Es sind Gäste auf der Burg – ein Gast und seine Entourage, um genau zu sein. Der Herr wies mich an, ihn Euch sofort zu melden.«
    »Und wer ist es?« Adam hätte den Mann längst angebellt, er solle sich nicht jeden Egel einzeln aus der Nase ziehen lassen.
    »Der

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