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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Graf von Montfichet, Mylady Countess.«
    »Der Graf von Montfichet? Piers? Aber der ist doch tot!« Piers de Montfichet, ein entfernter Verwandter ihres verstorbenen Mannes, hatte seinerzeit zu einem Schwarm von Herren gehört, die sich um die Hand von Englands reichster Erbin bemüht hatten. Anders als die meisten war er jedoch ein guter Verlierer gewesen und hatte die Abfuhr eingesteckt, ohne Isabel die Freundschaft zu entziehen. Soweit sie Menschen überhaupt mochte, hatte sie ihn gemocht. Vor ein paar Jahren war er an einem verdorbenen Magen gestorben.
    »Ja gewiss, Mylady, er ruhe im Frieden des Herrn. Bei Eurem Gast handelt es sich um seinen Sohn und Erben.«
    Natürlich. Wie hatte sie so töricht sein können? Piers de Montfichet hatte sich getröstet und eine andere geheiratet, und wie die meisten Menschen hatte er Söhne gezeugt. Aus den Kindern waren Leute geworden, die ihre Eltern vom Spielbrett verdrängten. Jäh spürte Isabel ihr Alter, als laste ihr das Gewicht der Jahre im Nacken. »Hat er Euch gesagt, was er wünscht?«
    »Im Einzelnen nicht, Mylady. Es sei ein freundschaftlicher Besuch, hat er gesagt, mehr nicht.«
    »Nun schön. Reiten wir zurück.« Isabel trieb ihr Pferd aus dem Stand in Trab und lenkte es den Hügel hinunter, um dem jungen Pflugburschen, der die Riemen am Kumt eines Ochsen lockerte, den Sack mit Saatgut anzureichen. Über das schweißnasse Gesicht des Jungen ging ein Leuchten, und als sie wieder anritt, rief er ihr einen Segenswunsch hinterdrein.
    Unfreie Bauern wie er waren an die Scholle gebunden, die sie beackerten. Sie durften ohne die Erlaubnis ihres Herrn den Flecken Land, den sie bestellten, nicht verlassen, durften eigenmächtig weder ein Stück Vieh veräußern noch über die Früchte eines Feldes entscheiden, ja sie durften nicht einmal heiraten, solange der Herr nicht einwilligte. Ließ ein gewissenloser Herr sie hungern, so konnten sie ihr Glück nicht anderswo versuchen, sondern mussten ausharren bis zum Tod.
    »Wir dürfen nie vergessen, wie sehr sie von uns abhängig sind«, hatte Baldwyn gesagt. »Sie geben uns alles, was sie haben, dafür haben sie ein Recht auf unseren Schutz. Wir müssen gute Herren sein, Isabel, wir müssen uns ihres Vertrauens als würdig erweisen.«
    Isabel trieb ihr Pferd erneut an und gab Roger ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie hatte es sich zum eisernen Ziel gesetzt, eine gute Herrin zu sein und das Vertrauen ihrer Leute zu belohnen, wie Baldwyn es nicht mehr konnte. Unzählige Male hatte sie sich dasselbe Versprechen gegeben, während sie den bewaldeten Hügel bis zur Motte von Carisbrooke hinaufritt: Ich habe dich im Stich gelassen, Baldwyn, aber ich lasse unsere Insel nicht im Stich. Es war ihr zu Fleisch und Blut geworden, sie sprach es vor sich hin wie die Mönche von Quarr ihr Stundengebet.
    »Leider ist da noch etwas, das ich Euch sagen muss«, druckste Roger, als sie die Pferde auf dem letzten Stück des Torwegs zügelten. »Da der Besuch nicht angekündigt war, kam es betrüblicherweise zu einem Irrtum …«
    Es dauerte seine Zeit, bis Isabel herausbekommen hatte, was geschehen war. Einer ihrer Armbrustschützen hinter den Schießscharten in der Kurtine hatte die fremden Ritter entdeckt, die auf das Torhaus zusprengten, und einen Bolzen abgefeuert, wodurch einer der Männer am Arm verletzt worden war. Isabel bekundete gebührendes Missfallen, doch insgeheim zollte sie dem Unglücksschützen Beifall. Ihre Festung, die seit der Zeit des Eroberers auf ihrem Hügel thronte, galt als uneinnehmbar, und so sollte es bleiben. Nur ein einziges Mal war es Feinden gelungen, in die schützenden Mauern einzudringen, und das nicht, weil die Verteidigung versagt hatte, sondern weil das Tor geöffnet worden war.
    Es lag lange zurück. Und es würde nie wieder geschehen. Ein junger Spund, der es nicht für nötig hielt, seinen Besuch anzukündigen, hatte sich jedenfalls seinen Schaden selbst zuzuschreiben.
    Der junge Graf und vier seiner Ritter warteten im vorderen Hof, den Isabel zwischen Torhaus und Halle hatte anlegen lassen. Den größten Teil nahm ein Kräutergarten ein, der im Windschutz der Mauer Wärme und Licht fing. Um eine Sonnenuhr aus blanker Bronze schmiegten sich Rabatten voller Gewürz- und Heilpflanzen, wie Baldwyn sie geliebt hatte. Der verletzte Mann kauerte auf der niedrigen Mauer, die den Garten umgab, und wurde vom Bader der Burg versorgt. Während die übrigen Ritter noch zu Pferd saßen, schritt der Graf den Hof ab und

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