Kairos (German Edition)
Stirn. „Czajkwoski hat schon angerufen. Luther hat sich darum gekümmert.“ Luther Schmidt war
AstroCom
s Verwaltungschef und Pressesprecher.
Alain zuckte die Schultern, und ein Grinsen erschien in seinem Gesicht. „Czajkwoski. Unser Mann in Brüssel.“
Cromer schmunzelte. „Wie man es sieht.“ Das Schmunzeln verschwand. „Er macht Druck. Und einer von Blaskowitz’ Untersekretären rührte sich ebenfalls.“
„Was hat die Luftwaffe...“, brauste Lori auf, doch Cromer spreizte die Finger und zeigte ihr zur Besänftigung die Handteller.
Sie stoppte mitten im Satz, atmete langsam ein. „Okay. Was also hat er gesagt?“
„Er bot uns an, das Sensornetz der Militärsatelliten zu nutzen.“
„Ist doch ein netter Zug von ihm“, sagte Alain.
„Und was sagt Brüssel dazu?“
„Vizepräsident Bals versicherte mir, daß sie den Mond auf keinen Fall abschießen werden.“
„Auf diese Beteuerungen würde ich nicht viel geben.“ Lori rang die Hände. „Die Regierung, das Militär ... Bald wimmelt es hier nur so von Funktionären und Bürokraten, die uns auf die Füße treten.“
Cromer nickte. „Das steht zu befürchten.“
„Aber jetzt ist nicht die Zeit für politische Winkelzüge, Professor.“
„Dessen ich mir auch durchaus bewußt bin, Lori.“ Cromer schielte zu Alain, dessen Stirn in Falten lag, und der plötzlich weit weg schien. „Alain? Woran denken Sie?“
Alain merkte auf, gewahrte Leo Cromers fordernden Blick, straffte sich, stand auf um ging umher. „Gehen wir davon aus, daß dies alles auf einer natürlichen Grundlage geschieht.“
Cromer, am Kragen seines Rollkragenpullovers zupfend, sah ihn aufmerksam an.
„Deimos ist kein Mond“, begann Alain. „Das Tempo seiner Marsumrundung ... Die Umlaufbahn auf Äquatorhöhe; außerdem ist er der kleinste Trabant im Sonnensystem. Jetzt ergibt alles einen Sinn: Deimos ist kein Mond. Er ist künstlich. – Ein Schiff!“
Ein Schiff. Leo Cromer trommelte mit den Fingern auf sein Knie, während er sich langsam zurücklehnte. „Gestern noch hätte ich das als kompletten Unsinn abgetan, Alain. Jetzt aber...“ Er seufzte. „Ich gestehe ein, mehr Zeit zu brauchen, um meine Schlüsse daraus zu ziehen.“
Das überraschte Alain, Cromers borniertes Festhalten an dazumal Etabliertem tat es. Aber gerade der Professor, als
AstroCom
s Vorstand, war regelrecht zum Pionierdenken prädestiniert. Eigentlich. Cromer aber dachte anders und stellte damit keine Ausnahme dar. Den meisten Forschern fällt es elendig schwer, zuzugeben, daß sie trotz allen Wissens rein nichts über die kausalen Zusammenhänge der Welt wissen; daß ihr Bild von der Wirklichkeit niemals perfekt ist.
Alain wollte dazu etwas sagen, doch Cromer sprach schon weiter: „Aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, daß ein seine Bahn verlassender Mond meine wissenschaftlich fundierten Ansichten unterminiert.“
Lori sagte: „Es kann sie ebenso zementieren. Befragen Sie Ihren Instinkt.“
„Es wird sich noch zeigen, wessen Überzeugungen dies alles festigt.“ Dann stand er auf und schritt zur Tür. „Jedenfalls wirft das alles eine Menge Fragen auf. Nun, beweisen wir uns“, er öffnete ihnen die Tür, „und finden Antworten.“
Das zwölf Tonnen schwere und aktuell größte Tiefraumteleskop
Deep View Space Telescope
, von den Forschern ›Eye on Sky‹ (EOS) genannt, befand sich hundert Kilometer über dem Atlantik. Es besaß Solarsegel und konnte einen Spiegel ausfahren. Alle zwei Sekunden schoß es ein Bild und funkte es einem Relaissatelliten, der es per Richtlaser einer Bodenstation sandte.
„Hast du die neuen EOS-Shots?“, fragte Alain Lori auf dem Weg zu einer weiteren Sitzung.
„Hier.“
„
Superb
. Danke.“
„Warte, bist du’s siehst.“
Er schaute fragend auf den Speicherstick.
„Sieht aus wie Stäbe“, sagte sie. „Zusammen vier.“ Sie bogen in einen weiteren Korridor. „Ihre Höhe beträgt etwa dreißig Meter. Sie müssen sehr schnell hochgefahren sein. Die Aufnahmen von sieben-dreißig zeigten noch nichts, nur drei Minuten später hingegen...“ Sie zeigte auf den Stick.
Sie durchmaßen den Korridor und erreichten eine Glastür. Alain und Lori zückten nacheinander ihre ID-Karten und zogen sie durch das elektronische Türschloß. Der Impulslaser des Retina-Scanners tastete über ihre Augen. Die Tür glitt zischend auf, und voraus lag die Leitungsebene.
„Langsam wird es kompliziert“, sagte Lori. „Höchste Zeit, Brüssel was
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