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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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war Ihr letzter Fauxpas. Pross Ende.“
    Pross’ Befehle und Drohungen ließen sie kalt. Sollte man sie doch aus den Streitkräften entlassen. Sie würde ihr Offizierspatent mit Kußhand abgeben und dann eben beim ›Champ‹, Rory Mancienne, einem alten Freund aus Akademietagen, anheuern und Buschpilotin in Ostafrika werden. Sie würde den ganzen Tag prallgefüllte Postsäcke von einem Ort zum anderen fliegen. Sie würde fliegen und sich betrinken, weiterfliegen und weitertrinken. Bis sie eines Tages einen Fehler machen und abstürzen würde. So oder so, es würde auf diese Art – an Bord von etwas, das flog – enden, das war für sie klar.
    „Roger, Sir.
Merlin
Ende“, funkte sie.
    Lewis Pardoe war ebenfalls eigenartig teilnahmslos zumute. Im Grunde fügte er sich in dieser Minute ebenso seinem Schicksal, wie Doria seit Jahren. Taten das nicht alle Menschen? Sich fallen lassen, sich fügen, jemand anderes entscheiden lassen. Über die Menschen hier, die Frauen und Männer der Fluginstruktion würde man genauso richten, wie über Doria. Lewis war sicher, dieser Flug würde Dorias letzter gewesen sein, zumindest bei der Luftwaffe oder
AstroCom
. Man würde sie entlassen, wenn auch nicht unehrenhaft, wie von Pross angestrebt. Lewis seufzte.
Pross. Blaskowitz. Viele Fragen und eine ganze Menge Streit.
Für seine Gelassenheit war er bekannt, jetzt aber empfand er nur noch Entmutigung. „Sechstausend, Doria. Bereithalten.“
    „Teufel auch...“, keuchte sie, spielte ständig an der Drossel herum. Der Steuerknüppel ließ sich kaum noch bewegen.
    „Zwanzig. Ausstieg.“
    „Noch ... nicht...“
    „Die Flugdynamik berechnet, wo du runterkommst, und-“
    „Sie reagiert. Lew, hörst du mich,
Merlin
reagiert!“ Sie klang wirklich etwas erleichtert, was Lewis kurz eine Braue wölben ließ; und tatsächlich fiel die Maschine langsamer, aber... „Vergiß es, du bist zu tief.“
    „Sie wird steigen!“
    „Gleich bist du unter zwölf“, sagte Lewis und versicherte glaubhaft: „Tut mir leid.“ Per Funksignal löste er den Schleudersitz aus.
    „Scheiß auf dich, Lew!“ Sie kauerte sich in Embryonalstellung und sah die Haube lautlos davonfliegen. Sekundenbruchteile später zündete der raketengetriebene Schleudersitz. Die Explosivkeile wurden herausgesprengt. Doria katapultierte es aus dem Cockpit. Während sie am Fallschirm hinabsank, mußte sie feststellen, daß sie schon wieder einen Fehler gemacht hatte, wieder über dem Meer, diesmal aber ohne Hunderte Tote. Sie sah dem gletscherhaft langsamen Aufprall von zweihundert Millionen Euro auf dem Wasser zu. Ihre Kälteschutzkombination würde sie so lange am Leben halten, bis ein Rettungstrupp eintraf. Sie bedauerte das fast und dachte nur:
Ghostflight Ende.

3
    AstroCom
war Europas vereinigte Raumfahrtbehörde, ihr Emblem ein Dreigestirn über einer Raumstation mit entfalteten Sonnensegeln. Sie unterhielt Forschungsstätten in ganz Europa, aber in Norddeutschland, bei Bremen, lag ihre Zentrale. Deren Kern, eine Traube von Bürohäusern und Labortrakten mit Instituten drum herum, rahmten Läden ein sowie Wohn- und Freizeitanlagen für die Angestellten. Die mit Schlagbäumen gesicherten Parkplätze standen voller Wagen. Die Flächen zwischen den Gebäuden waren von Fußwegen gesäumt. Junge Nadelbäume zierten gepflegte Wiesen. Von der Ferne betrachtet ähnelte der Komplex mehr einer Kleinstadt als einer Forschungsstätte.
    Die Vorhalle des Hauptgebäudes, in die Licht durch ein chromverstärktes Acryldach fiel, barg die
Atreus-I
-Marslandekapsel – an Besuchertagen scharenumringt. Die Flure, Büros und Glasräume dahinter waren gesäumt mit Menschen.
    Generaldirektor Leonard H. Cromer ging in seinem Büro auf und ab.
    Der kongeniale Planetologe und Chefredakteur eines Fachjournals war Programmmanager der so erfolgreichen wie nervenaufreibenden
Atreus-II
-Mission gewesen und noch unter der Broder-Administration zu
AstroComs
Leiter aufgestiegen. Als Chefingenieur des zweiten Mars Landers
Kapteyn
hatte er ein Höchstmaß an Verantwortung inne gehabt; das Gelingen der gesamten Mission hatte zu großen Teilen auf seinen Schultern geruht.
    Cromer kannte Streß; Druck. Kannte Fehlschläge. Und als Wissenschaftler war er sich dessen bewußt, wie formidabel und unwägbar die Welt war.
    Und bis hierher war er sicher gewesen, den Aufgaben, die
AstroComs
Vorsitz ihm stellten, auch gewachsen zu sein. Für gewöhnlich, jedenfalls.
    Denn dies ist...
Absolut, Cromer hielt nichts

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