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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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im Zimmer, nur das Heulen eines Flugzeuges, das dem Atmosphärenrand zustrebte, dazu Straßenlärm. Dann dröhnte von irgendwo Ivie Zanes progressive Popversion von Wagners ›Walkürenritt‹ und von woanders ein Song der ›The Gratefull Dead‹. Campusatmosphäre pur.
    Nazma stiegen Tränen in die Augen, zugleich lachte sie. Corey sah sie aufmerksam an
    Sie sagte: „Schon gut. Keinen weiteren Trost.“ Sie betrachtete das Ding in seiner Hand. „Was jetzt – steckst du ihn an?“
    Er tat es.
    „Tut gut“, sagte er, blauen Qualm ausblasend. Er hielt Nazma die Marihuanazigarette hin. „Hier.“
    Sie tat einen Lungenzug, genoß den Geschmack und nahm einen weiteren Zug. Das Marihuana schmeckte und roch süß und schwer. Es ließ den Blick erstarren und die Gedanken entweder reisen oder im Leerlauf treiben. Zeit verging. Sie lagen gemeinsam da. Inzwischen hatte sich das Beinahe-Schwarz der urbanen Nacht über sie gelegt. Nur die hellsten Sterne glommen durch die Dunstglocke über Edinburgh. Nazma rezitierte träge, mit belegter Stimme und nicht ganz wortgetreu ihren Favoriten, Dylan Thomas: „Wir kennen alle Märchen Wort für Wort, / Und Fürchten nicht mehr den Heimlichen im Garten, / Noch kinderohrgerechte Lügen; / Die alten Zauber sind gebrochen, / Auch wenn uns Geister quälen / Wir kennen die Kindermärchen rückwärts, / Haben Zauber aus Feiglingsherzen...“
    „Bevor ich sterbe, schreibe ich ein Gedicht, das so schön ist.“
    Er lachte. „Wirklich? Das willst du tun?“
    „Ich versprech’s.“
    Corey betrachtete ihr Profil. Nazma lag mit geschlossen Augen da. Er sah die feinen schwarzen Härchen auf ihrem Unterarm. Er fragte sich, woran sie wirklich dachte.
    Früh am Morgen – Nazma schlief friedlich, das erste Tageslicht ließ die Fenster schimmern – stand Corey auf, zog sich an und schlich zur Tür. Seine Hand lag schon auf der Klinke, als er sie ein letztes Mal betrachtete.
Tut mir leid, es geht nicht.
Er schlich zurück und drückte ihr kurz seine Lippen auf den Scheitel. „Bye“, flüsterte er und ging.

19
    Jetzt, im Präsidentenbüro, im – telepathischen – Beisein Galdeas, Bergs und anderer, stiegen in Alain wieder Bilder der Vergangenheit auf. Rückblickend zählte seine Zeit bei SETI, dem richtungsweisenden Hochprogramm zur Suche nach außerirdischer Intelligenz, zu der schönsten seines Lebens – auch wenn er oft lästige Aufgaben wie die Touristenbetreuung hatte übernehmen müssen. Er hatte den Besuchern das Gelände gezeigt, die mit Emaille beschichteten, kreisförmig angeordneten Metallunterkünfte, den Antennenwald und natürlich das Radioteleskop, dessen Herz der Primärfokus inmitten einer dreihundert Meter großen Aluminiumschale in einer Senke war. Oft hatte Alain seinen staunenden Zuhörern erklärt: „SETI sucht gezielt nach Radiosignalen, tastet über vierzehn Millionen Kanäle ab und empfängt pro Sekunde die Datenmenge eines Lexikons. Die Signale werden weitergeleitet zu Verstärkern und Frequenzwandlern, dann zu einem Spektrometer, um Polarisation, Wellenlänge und -intensität zu berechnen...“
    Einmal hatte eine junge Frau mit beachtlichem Décolleté und noch mehr Schneid etwas über die Mustererkennung gefragt. Alain hatte gestaunt – und ihr dann vom Können des Programms erzählt, Signale potentieller Außerirdischer den Echos vibrierender Wasserstoffatome oder lärmender Sterne vorzuziehen. „Findet es was, bestimmt es Zeit, Datum, Quellenortung, Frequenz und-“
    „Signaldauer, Doktor. Ich weiß.“
    Alain war sprachlos gewesen.
    „Eine Frage noch“, hatte sie kaugummikauend gesagt. „Warum genau sind Sie Astronom geworden?“
    „Gute Frage“, war seine Antwort. „Weil es zu klären gilt, wie das Leben auf der Erde entstanden ist; woher stammen die Bausteine etwa, von der Erde oder aus dem Weltraum?“
    „Aha.“
    „Wir erforschen physikalische und chemische Prinzipien, nach denen Katalysatoren erzeugende Systeme entstanden sind, die sich vermehren und entwickeln. Das Leben ist dynamisch. Diese Dynamik tritt auf allen Stufen auf – sowohl im Molekularbereich, als auch in großen ökologischen, korrelierenden Milieus.“
    Die Augen seiner Zuhörer waren glasig geworden. Alain hatte es immer wieder amüsiert.
    „Und das heißt?“, hatte die junge Frau gefragt.
    „Was macht einen Planet lebensspendend?“, hatte er schnell gesagt, um seine Überraschung zu überspielen. „Wir erforschen biosphärische Wechselwirkungen...“
    „
Glauben
Sie

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