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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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jüngsten Westindien-Reise: von saribekleideten Frauen mit schwingenden Hüften, Feuern aus Kuhmist, Gurus, Goa, endlosem Farmland in Karnataka, Kindern mit brauner Haut und scheuem Lächeln, von Hakenkreuzen an Türen und Tempelfassaden und von den Geiern über den Leichen gläubiger Parsi.
    Corey, irgendwann: „Schaurig...“
    Indien. Land am Indus; Land der Gegensätze. In jüngster Zeit erschütterten immer wieder Maoisten-Anschläge den Subkontinent. Zugleich nannte Neu-Delhi seine Satelliten nach Gottheiten, sein Mondlandeprogramm
Rama
und seine Raumstation nach dem ›Ort der religiösen Bemühung‹,
Ashram
.
    „Schaurig“, echote Kaolin ebenso ernst und begann dann zu lachen.
    Der Airbus startete, und Corey hatte auf die unter ihm sich drehende Erde geblickt. Kaolin war eingeschlafen, eine Saftflasche zwischen die Schenkel geklemmt. Keine zwei Stunden später kam Lyon in Sicht. Die Maschine war in einem Bogen über die Stadt geflogen; Corey sah die Basilika, die gedrungenen Backsteinbauten, den Flughafen mit den riesigen Montagehallen. Und dann war die Luftfahrtfachschule in Sicht gekommen, eine Anordnung rechtwinkliger Klötze an einem Grünhang. Bei dem Anblick geriet Corey in Hochstimmung. Vor dem Hauptgebäude, ebenfalls ein futuristischer Kubusbau, stand auf einem Granitsockel ein ausrangierter Senkrechtstarter mit abwärts gerichteten Triebwerken. Daneben befand sich das steinerne Abbild einer paradierenden Marschkapelle, umstanden von Masten mit den Flaggen aller Unionsmitgliedstaaten.
    Sie waren gelandet und mit einem OmniShuttle des Flughafenexpreß über das Vorfeld durch ein Zugangsgebäude zum Sammelpunkt für die Rekrutenaspiranten, einem zentralen Exerzierplatz, gelangt. Der Kommandant der Pilotenschule begrüßte sie persönlich. Flight Lieutenant Raymond McClauly, Funkname ›Vanguard‹, war Waliser und einer der höchstdekorierten Kampffliegeraller Zeiten. Während des 31er Ressourcenkrieges gegen die Ajatollahs hatte McClauly offiziell mehr als vierzig Luftsiege errungen. Die Rekrutierungsoffiziere hatten ihn von der Front beordert, um zu garantieren, daß sie zum Vorzeigen einen wahren Helden hatten. Obzwar Lieutenant, übertrug man ihm die Leitung der Flugschule der Luftwaffenakademie.
Gebt Ray McClauly einen Senkrechtstarter
, hieß es,
und er fliegt jeden in Grund und Boden
; außerdem war er ein guter Kerl, konkurrenzfixiert und wortkarg, eine Respektsperson mit legendärem Naturell, wie gemacht für einen Werbebutton der Luftwaffe.
    Nach McClaulys Ansprache hatte sie ein Feldwebel herumgeführt. Über die Sportstätten war es zu den Hörsälen und Testräumen gegangen, weiter in ein Untergeschoß, zu den Übungsgeräten, wie den Zentrifugen für die Starkbeschleunigungstests und den Head-up-Display-Simulatoren für gespielte Luftkämpfe. Jemand aus der Gruppe hatte sich kurz in eine Simulatorbox setzen dürfen und war eingetaucht in einen HiTec-Kosmos aus Lichtern, Schaltern, Kabeln, Sensoren, Schaltkreisen und Hardware, wo Begriffe galten wie Elektrokanone, Pseudoschlacht und Übungsstrahl.
    Schließlich zeigte man ihnen ihre Unterkünfte, karge, enge Räume mit durchgelegenen Etagenbetten und verschließbaren Spinden. Coreys Zimmergenossen waren Scott Martyn aus Sheffield, Maria Abél, Portugal, ein Bursche aus Agra mit britischem Paß namens Nandi Rashad und der Franzose Nicolas Estaunié.
    Der erste Tag war geprägt von Neugier, Ehrfurcht und dem spürbar festen Willen, dereinst Teil all dessen zu sein. Der erste Abend verlief so aussichtsreich wie beunruhigend. Insgesamt zu Acht (Kaolin mit der Griechin Nikas Poulos, sowie sechs Männern) hatten sie den Wohntrakt verlassen und einen Gang zu den Flugfeldern des nahen Militärflughafens gemacht. Es war beeindruckend gewesen: alles lag im letzten Tageslicht, und die Haupteinflugsanzeigen blinkten. Startfeldpersonal in Neonoveralls hetzte umher; Techniker der Bodencrew arbeiteten unter den Maschinen; Leuchtstreifen auf dem Boden markierten Zonen, Korridore und Parkbuchten und ständig fegten Jagdmaschinen, Tank- und Aufklärungsflugzeuge mit Radarnase und Zusatzantennen über sie hinweg. Sogar einen der neuen computergesteuerten
Avro 702 Vulcan
-Nurflüglerbomber sahen sie beim Start. Bedenklich tief hing das Bumerangflugzeug, diese schwarze Pfeilspitze, über dem Boden, bis es an Höhe gewann und mit einem Feuerschweif aus sechs Turboramjets verschwand. Der Gestank von verbranntem Maschinenöl und Abgasen war durchdringend, das

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