Kairos (German Edition)
Schizophrenie...
Blabla.
„Hast du verstanden, was ich gesagt habe, Homme?“
Er sah auf, wie aus einem Traum erwacht.
„Ich sehe, es hat keinen Zweck. Ich war dennoch so frei, dir eine Aufklärungsbroschüre des Gesundheitskommissariats auf dein Pad zu laden.“ Dann Seufzte sie. Dies Seufzen klang schrecklich enttäuscht. „Deine Papiere liegen im Hauptbüro bereit, zusammen mit deinem Rückflugticket. Also dann, Homme...“ Sie lächelte nicht und ging.
Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn und dem Rücken. Corey taumelte. Er legte sich flach auf den Boden. Er lag unter einem Baldachin aus grünen Zweigen, sein Gesicht den Sternen zugewandt, die er nicht sehen konnte. Der Schwindel verging. Er wußte nicht mehr, wann er zuletzt so zornig gewesen war. Er stützte sich auf die Knie. Jets donnerten über ihn hinweg. Gleichviel. Wut;
Haß
. Auf Nazma. Es war alles seine Schuld, aber Nazma die Schuld zu geben, machte es erträglicher. Trémolières Worte
›Sie sagen, du warst gut. Offensichtlich, du hattest Ambitionen. Sie sagen, du hättest es schaffen können. Jammerschade eigentlich‹
dröhnten in ihm wie Glockengeläut. Irgendwann überwand er sich, stand auf, holte die Papiere und das Flugticket. Sein Flug ging erst in zwei Tagen. Bestimmt eine Schikane seitens der Leitung, er war sicher. Er wollte hier weg, Frankreich den Rücken kehren, derAkademie, Kaolin. Aber er wollte auch nicht zurück zu Nazma. Zum vielleicht ersten Mal in seinem Leben wußte er nicht, was er tun oder wohin er sich wenden sollte.
Er lag angezogen auf dem Bett und blickte zur Decke. Dutzende Male hatte er schon versucht, die Augen zu schließen. Der Schlaf wollte nicht kommen. Er war hellwach. Er wollte nicht wach sein, wenn die anderen kamen. Sie kamen, Corey war wach, und stellten ihm Fragen, die er entweder lakonisch oder gar nicht beantwortete. Niemand konnte es glauben. Sie hielten ihn für einen Trottel und hatten recht. Er wurde wütend, wollte in Ruhe gelassen werden. Sie ließen ihn allein. Kaolin blieb. Sie ging vor seiner Pritsche auf die Knie, begann durch die Hose sein Glied zu streicheln. „Hey“, flüsterte sie nahe an seinem Ohr. „Lust zu vögeln?“
Sie hätte nichts Dümmeres sagen können. Plötzlich fand er diese Frau kein bißchen anziehend. Er war von ihr angewidert. Corey schob ihre Hand weg und wuchtete sich hoch. „Verschwinde, Kaolin.“
„Was hast du gesagt?“ Sie wirkte nicht verletzt, nur überrascht.
„Geh einfach“, sagte er.
Sie kam hoch. Ihr Blick war denkbar abweisend. „Wie du willst“, sagte sie und machte sich daran zu gehen. Dann drehte sie sich blitzschnell zu ihm um und schubste ihn weg und trat ihm in den Unterleib. Corey krümmte sich am Boden. Fast hieß er den Schmerz willkommen. „Danke, daß du mir rechtzeitig gezeigt hast, war für ein aufgeblasener Kerl du bist.
Schlappschwanz
“, sagte sie. Das war alles. Sie ging.
Er war wieder allein und starrte an die Decke.
Tageslicht wanderte als Rechteck über die Wand. Er versuchte an nichts zu denken. In dem Maß wie er es schaffte, kamen seine Gefühle kontrollierter. Er wurde ruhiger, keinen Deut weniger unglücklich mit seiner Situation, aber ruhiger. Und da war er wieder: der Gesang, silberhelle Stimmen, schallend wie ein Himmelschor. Corey riß die Augen auf. Er sah nach überall. Auf einmal roch er – deutlich – den Duft von gemähtem Gras und frischgebackenem Brot. Euphorie überkam ihn. Seltsam. Woher sollte die rühren? Er begriff, etwas Stärkeres war am Werk. Corey verinnerlichte sich plötzlich, wie unwichtig all dies war, wie gleichgültig. Die Flugschule, Maggie Trémolières, McClauly, Kulov, sogar sein Traum vom Fliegen. Es war so; er verstand es selbst nicht.
Der Hangar.
Seine Schläfenadern pulsten.
BAU 13.
Dort lagdie Antwort.
Die Antwort,
überlegte er,
wofür? Auf welche Frage?
Tatsächlich rief ihn etwas von dort, soviel verstand er. Stimmen. Er vernahm dies Rufen nicht mehr nur in Gedanken, sondern als konkrete Perzeption in seinem Herz. Er hatte es schon früher gehört, am Zaun lehnend. Er lauschte. Spürte einen Sog von anderen Orten und Daseinsformen fast wie etwas körperlich Greifbares an sich reißen. Der Sog war unwiderstehlich.
An diesem Tag spürte er etwas Seltsames, Schmerzendes, zugleich Natürliches: eine Ende-von-Allem-Aura. Aber etwas sagte ihm auch, nichts daran wäre falsch.
Darüber brütete er, solange, bis er eingeschlafen war und von einem blauen Band zwischen den
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