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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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Gottesbild und impertinentem Bloßlegen ihres (zugegeben) maßgeblichen Intellektes. Sie belegte vergleichende Religionswissenschaften und Theologie, war der Liebling des Lehrkörpers, Chefredakteurin der Campusperiodika
Pulsar
und Präsidentin des Debattierclubs. Sie war ein Nerd, hochtalentiert und privilegiert, aber vom Rest der Welt weithin abgeschottet. Sie galt als Unperson, aber als insgeheim geachtet.
    „Oh.“ Nazma mühte sich, nicht genervt zu klingen. „Hi.“ Sie lächelte maskenhaft. „Ich – hast du Judith gesehen?“ Sie sah sie beim Sprechen nicht an, sondern überblickte angestrengt die Menge. „Wir wollten uns hier treffen. Ich sehe sie nirgends.“ Sie haßte solch vordergründigen Small Talk. Dennoch betrieb sie ihn.
    „Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, wo sie ist.“
    Natürlich nicht
. Fand Nazma Sarah-Jem langweilig und unausstehlich, verabscheute Judith sie nachgerade. „Schon gut. Gibt’s was Neues?“, fragte Nazma.
    „Vorhin interviewten sie eine BBC-Frau. Eines dieser Dummbrote der Privatnetze, Gwen Irgendwas. Sie hat mit dem Attentäter gesprochen, vor der Regierungsvilla.“
    Nazma sah ihr kurz und ernst in die Augen. „Wann war das?“
    „Bereits vor mehreren Wochen. Die Reporterin fand das Gespräch ausgesprochen seltsam.“
    „Kann ich mir denken.“ Nazma betätigte ihr Pad. Sie mußte Judith finden und zwar flugs.
    Sarah, kurz etwas erwägend, sagte: „Okay. Ich stimme zu, daß ›seltsam‹ es nicht trifft, was diese Frau im Nachhinein dabei empfinden mag, den zukünftigen Präsidentenmörder interviewt zu haben. Sie sagte, er wäre ruhig und beherrscht gewesen, fast
zu
ruhig. Aber ihren Worten nach versprühte er ebenso etwas ganz und gar Eigenartiges.“
    „Ja, klar. Schließlich ist er irre. Irre haben oft eine ... merkwürdige Aura.“ Sie selbst hielt ihre Worte für ausgemachten Nonsens.
    Sarah-Jem sagte: „Ich weiß nicht recht, Nazma.“
    Sie erwiderte nichts.
    „Die Moderatorin wollte es von der BBC-Frau genau wissen. Die fühlte sich von seinem Blick irgendwie durchbohrt – aber von ihm selbst auch völlig verstanden.“
    „Schwer vorstellbar.“
    „Soviel man weiß, ist er blind.“
    „Sicher doch“, murmelte Nazma und sah auf. „Wie sollte dieser Mann in die Villa spazieren und Berg töten, wenn er blind ist?“
    „Er hat es fertiggebracht.“
    Nazma fauchte: „Das ist doch gequirlter Mist!“
    Sarah-Jem zuckte zusammen. „Ich sage nur, was sie erzählt hat. Ich weiß ebensowenig, was das bedeuten soll, also mach halblang. Wir sind von dieser Geschichte alle gleichermaßen betroffen und schockiert.“
    „Schon gut“, sagte Nazma.
    „Sein Name lautet Sazi Mthembi, falls du es wissen möchtest. Ein Zulu...“
    „Ah. Interessant, ehrlich. Hör zu, Sarah, ich bin dir superdankbar, daß du mir alles erzählt hast, aber jetzt-“
    „Hast du von den Unruhen gehört?“
    „Unruhen?“
    In diesem Moment schob sich jemand an Sarah-Jem vorbei: Judith, in hochhackigen Schuhen und im Moderatorinnen-Outfit, ein gerolltes Hochglanzmagazin unter dem Arm. Sie ignorierte Sarah-Jem, postierte sich direkt vor ihr und begrüßte Nazma mit zwei flüchtigen Wangenküssen.
    „Hey, Süße“, sagte Judith und massierte sich die Kopfhaut. „Nein“, murmelte sie immer wieder stirnrunzelnd. „Nein ... Jesus, nein. Und noch mal nein. Das kann alles nicht wahr sein.“
    „Wo warst du?“
    „Bei O’Leary. Bin spät dran mit einer Hausarbeit, und ... Scheiße, brummt mir der Schädel.“
    Die Linien um Nazmas Augen glätteten sich; Erleichterung ließ sie aufatmen und ihren Unmut vergessen. „Warum um alle Welt hast du nichts gesagt?“
    Sie schaute übertrieben gequält. „Tut mir Leid, ehrlich. Ich hatte schrecklich viel zu erledigen, und...“ Sie brach ab und sandte ihr ein um Nachsicht heischendes Lächeln. „Okay?“
    „Okay“, sagte Nazma. Sie atmete einmal tief durch und sah zum Holo. „Was sagst du?“
    „Es ist furchtbar.“ Sie drehte sich auch dem Holo zu und versperrte Sarah-Jem die Sicht. Diese trat mürrisch, aber schweigend einen Schritt zur Seite, beäugte aber naserümpfend Judith’ Makeup, das noch dicker aufgetragen war als sonst der Fall. (Ihr Gesicht war eine glänzende Maske, die starr blieb, auch wenn sie sprach.)
    „Ich meine, ich komm da nicht mit.“ Judith spielte an ihren Ohrclips. „Kann denn jeder zum Präsidenten spazieren und ihn...“
    „Tu dir keinen Zwang an.“
    „Ihn abmurksen?“
    Sarah-Jem: „Ich weiß nicht,

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