Kaiserkrieger 2: Der Verrat
denen Rheinberg offensichtlich verfallen war. Es galt, dagegen etwas zu unternehmen, und das mit großer Entschiedenheit und auch auf die Gefahr hin …
Ja, so sehr war von Klasewitz von dem, was er gelernt und erfahren hatte, überzeugt, dass er auch eine Entfernung Rheinbergs von seinem Posten keinesfalls mehr ausschließen wollte. Und jetzt, wo der Kapitän in Sirmium war und versuchte, das Ohr des Kaisers zu erlangen, und Becker, sein getreuer Adlatus ihn dorthin begleitet hatte, die Saarbrücken unter dem farblosen Zweiten Offizier hingegen in unmittelbarer Reichweite wieder in Ravenna angelangt war – gerade jetzt wollte man ihn nicht herauslassen, hatte ihn und die anderen Geiseln mehr oder weniger von der Außenwelt abgeschnitten.
Die Unruhe, die von Klasewitz erfüllte, das drängende Bedürfnis, die Gunst der Stunde nutzen zu wollen, übertrug sich unbewusst auf die anderen Geiseln. Hätten sie gewusst, welche Gedanken der Erste Offizier ventilierte, wären die beiden Unteroffiziere sicher nicht der Ansicht gewesen, dass das stete Umherlaufen von Klasewitz' in der weitläufigen Villa eher etwas Amüsantes hatte. Nein, auf diesen Gedanken wären sie sicher zu allerletzt gekommen.
»Da draußen ist irgendwas los«, sagte Behrens. Er winkte den Soldaten unter seinem Kommando. Sie hatten keine Gewehre dabei, aber es waren kräftige Kerle, die von Becker nicht zuletzt deswegen ausgewählt worden waren, weil sie sich in endlosen Schlägereien bewährt hatten. Köhler und er selbst trugen Pistolen mit je drei Magazinen. Das war nicht viel, aber hoffentlich genug, falls es Ärger geben sollte.
Für die Unteroffiziere lag Ärger in der Luft, seid Volkert verschwunden war.
Jetzt war es deutlich zu hören: Sprechchöre, Gesänge, die Stimme einer sich versammelnden Menge. All dies fand jenseits mehr als mannshoher Mauern statt, doch die Geräusche waren kaum falsch zu deuten.
»Ein Mob«, murmelte Köhler und warf Behrens einen bedeutungsvollen Blick zu. Beide tasteten über ihre Uniformhemden, unter denen sie die Waffen verborgen hatten. Von Klasewitz sah sie halb missbilligend, halb ängstlich an, sagte jedoch nichts.
Etwas klirrte. Jemand schrie, sehr nahe, sehr laut.
»Wir sollten …« – von Klasewitz kam nicht dazu, seine Pläne zu äußern, denn eine Tür krachte auf. Zwei Legionäre der Stadtwache stürmten herein, wirkten aufgelöst, und beide mit gezogenen Schwertern.
»Schnell!«, sagte der eine heftig atmend. »Wir können sie nicht mehr lange aufhalten. Die hintere Tür.«
»Wen nicht mehr aufhalten?«
»Priester. Wütende Priester. Viele von ihnen und Leute aus dem Volk. Sie wollen, dass wir Euch ausliefern.«
Von Klasewitz wurde blass. »Wem ausliefern?«
»Ihnen. Schnell, die hintere Tür!«
Niemand stellte mehr Fragen, als erneut ein lautes Klirren und Krachen ertönte, Schmerzensschreie und dann das Geräusch eines Kampfes. Die Kameraden der beiden Legionäre schienen das Möglichste zu versuchen, um die hereinstürmenden Protestler aufzuhalten, aber es konnte sich nur noch um wenige Minuten handeln, bis sie in die Villa eindringen würden. Wer wusste, was dann mit ihnen geschehen würde.
Die Legionäre und die Geiseln eilten zum hinteren Teil der Villa, wo zwei aufgeregte Sklaven bereits an einer kleinen Tür, wohl einer Art Lieferanteneingang, auf sie warteten. Den Männern wurden Kutten gereicht, die diese überwerfen sollten. Auch die Legionäre vermummten sich, verbargen ihre Klingen. Einige schnelle Blicke durch die halb geöffnete Tür, dann der Befehl, ihnen zu folgen.
Die Geiseln traten auf die kleine Gasse. Hier schien alles ruhig.
»Folgt uns!«
Sie eilten den engen Weg entlang bis zur nächsten Kreuzung. Vorsichtig blickte von Klasewitz nach rechts, sah die Menge der Protestler, wie sie in die Villa zu strömen begann. Schreiende, Unverständliches skandierende Priester waren die meisten, aber auch aufgestachelte Schaulustige, die Freude an dem Spektakel zu haben schienen. Niemand verstand, worum es ging und was der Anlass war, und die Legionäre schienen kein Interesse daran zu haben, ihre Fragen zu beantworten.
Sie entfernten sich in die entgegengesetzte Richtung. Der Lärm eingetretener Türen und zerschlagenen Mobiliars wurde schnell leiser, und als ihnen dann eine Kolonne Legionäre entgegenkam, alle mit grimmigem Gesicht, war es wohl auch besser, wenn sie nicht in der Nähe dessen waren, was jetzt geschah.
Dann ein Ruf, aus einer Seitengasse.
»Das sind sie!
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