Kaiserkrieger 2: Der Verrat
Pause befohlen?«
Das Geschrei nahm kein Ende. Volkert traute sich nicht, die Schaufel abzusetzen, um sich den Schweiß aus der Stirn zu wischen. Sein ganzer Körper war nass geschwitzt. Über der Tunika trug er einen nur mit Mühe passenden Brustharnisch, auf seinem Kopf den Legionärshelm, an den Gürtel gebunden das Kurzschwert, die wichtigste Waffe des römischen Soldaten. Es war warm, spätsommerlich, doch zu keinem Zeitpunkt hatte der brüllende Zenturio ihnen gestattet, Teile der Ausrüstung abzulegen. Man müsse jederzeit bereit sein, dem Ruf zum Kampfe zu folgen, hatte er gesagt, wenn man im Feindesland ein Feldlager errichte. Am liebsten hätte Volkert ihm zugerufen, dass der Kampf Gratians gegen die Alemannen das letzte Mal gewesen war, dass die römischen Streitkräfte den Rhein überquert hätten. Dass man sich fortan endgültig nur noch in der Defensive befand und eher das Problem habe, dass der Feind, egal, wie er hieß, den Kampf in das Reich tragen würde.
Er behielt es für sich.
Die römischen Streitkräfte hatten nicht mehr viel mit den Elitelegionen zu tun, die einst das Imperium errichtet hatten, so viel hatte Volkert zwischenzeitlich gelernt. Die Militärreformen des Diokletian hatten das alte System durch eine Struktur flexibler, kleiner Einheiten ersetzt. Die einstmals 5.000 Mann starke Legion war rund 1.500 Soldaten umfassenden Trupps gewichen. Unterschieden wurde dabei zwischen den Grenztruppen, die oft nicht mehr als Milizen waren, und den beweglichen Eingreiftruppen, wobei die besten Armeeteile dem Hauptheer zugehörig waren, das mit dem Kaiser auf Feldzug ging. Geblieben waren eine harte Ausbildung und eine harte Disziplin, wenn dafür Zeit war. Doch die gloriose Vergangenheit des römischen Legionärs war lange vorbei.
Die Ausbildung Volkerts und der anderen in den Dienst gepressten Rekruten hatte kurz nach der Rede des Zenturios begonnen und als Ausbilder war der bärbeißige Veteran Latinus ein genauso erbarmungsloser Schleifer, wie Volkert es befürchtet hatte. Sie hatten Ausrüstung erhalten, teilweise noch mit eingetrockneten Blutflecken, eingesammelt von einem Schlachtfeld, einem toten Kameraden vom Leib gerissen. Sie hatten nicht mit Waffentraining begonnen, sondern mit den wichtigsten Grundlagen. Sie lernten, wie man sein Bündel packte und was dieses zu enthalten hatte – vom Brennholz über Nahrung bis zu wichtigen Details wie Nähzeug. Und dann hatte man mit zwei zentralen Ausbildungseinheiten begonnen: Marschieren in Formation und Aufbau eines Feldlagers.
Das Marschieren war für Volkert kein Problem gewesen. Er war viel in seinem Leben marschiert und wusste, was eine Formation war. Sobald er die gebellten Befehle des Zenturios einigermaßen begriffen hatte, war das Exerzieren für ihn keine grundsätzliche Herausforderung mehr gewesen. Als man geübt hatte, mit den Schilden eine Phalanx, dann eine Schildkröte zu bilden, war irgendwann der Schmerz in seinen Oberarmen fast nicht mehr zum Aushalten gewesen. Als er den Schild hatte senken müssen, durfte er erfahren, dass Strafübungen in der römischen Armee ein genauso beliebtes Mittel der Disziplinierung gewesen waren wie in den Streitkräften des Deutschen Reiches. Dazu kamen aber noch andere, in Volkerts Zeit aus der Mode gekommene Mittel: Das Auspeitschen wurde gerne angewendet, und bei besonderer Renitenz etwa ganzer Einheiten wurde dezimiert – das heißt, jeder zehnte Legionär per Los ausgewählt und zu Tode geprügelt.
Aber das Schlimmste machte er jetzt durch. Feldlager errichten klang vergleichsweise harmlos, war jedoch ganz offensichtlich eine mörderische Knochenarbeit. Das Anlegen der Palisade, der notwendige Aushub, das Fällen der Bäume, das Zuschneiden der Pfähle, das Hineinwuchten und Fixieren, der Aufbau der Zelte – und all dies nach einem genau vorbereiteten Plan, in dem eine Aktivität Hand in Hand mit der anderen gehen musste. Zwei seiner neuen Kameraden waren schnell zu Beginn von diesem schweren Dienst befreit worden. Sie wurden zu Immunes befördert, denn es hatte sich herausgestellt, dass beide begabte Handwerker waren. Das bedeutete nicht nur, dass sie bald einen höheren Sold beziehen würden, ihre speziellen Fähigkeiten wurden auch damit belohnt, dass sie von schweren und lästigen Diensten befreit wurden, die römische Art der Beförderung in einer Armee, die nicht so viele verschiedene Dienstgrade kannte wie etwa die moderne deutsche. Was aber bemerkenswert ähnlich war: Der
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