Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
belehren.
Zumindest war dies, ganz offensichtlich, die Hoffnung des Sedacius.
Es war ein früher Morgen, dessen Nebel noch tief in den Bäumen und auf den Wiesen hing, als die gemischte Truppe schließlich aufbrach. Quadische Reiter, die sich in der Gegend besser auskannten als römische Späher, machten die Vorhut, die ersten waren bereits am Abend zuvor losgeritten und hatten in der Dämmerung den Weg in Richtung des Lagers der Hunnen ausgespäht. Man erwartete, nun, auf dem Vormarsch, von ihnen erste Hinweise über mögliche Gefahren zu bekommen.
Volkert ritt vorne, neben dem Tribun. Er fragte sich, warum. Es war so viel zu tun gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie Sedacius ihn in vielem um Rat fragte, manchmal gleichberechtigt mit den Zenturionen und anderen Offizieren. War Volkert in den Augen des Tribuns ein so außergewöhnlicher, ja vielversprechender Mann, dass er ihn nahe bei sich halten, schulen und fördern wollte, um ihn für höhere Aufgaben zu empfehlen? Oder war es ein Ausdruck von Misstrauen? Es gehörte zur Paranoia eines Deserteurs, der sich auf der Flucht wähnte, dass er in allem erst einmal das Negative und Bedrohliche sah. Volkert war sich dieser Voreinstellung durchaus bewusst. Immer wieder sagte er sich, dass es keinen Sinn ergebe, aus der Erfahrung der Vergangenheit das Jetzt, den Moment zu beurteilen, anstatt diesen erst einmal nur als das zu sehen, was er war. Diese eher leidenschaftslose Distanz, die er an vielen erfolgreichen Anführern zu bemerken glaubte, half, Fehlurteile zu vermeiden. Betrachtete man eine Situation, wie sie war, und nicht getrübt von den Befürchtungen und schlechten Erfahrungen der Vergangenheit, die zu falschen Bewertungen und damit falschen Entscheidungen führen würde, konnte man einen klareren Blick erlangen. Volkert wünschte sich, bereits so weit zu sein. Doch der Gedanke, dass das Erschießungskommando oder das Schwert auf ihn wartete, sollte seine wahre Identität enthüllt werden, ließ ihn alles durch eine Brille der Furcht betrachten. Dies verzerrte die Realität, das war ihm bewusst. Aber er konnte nichts dagegen ausrichten.
Gut, dass ihm ein leichter Ausweg blieb: die Befehle auszuführen, die ihm der Tribun gab. Damit verschob er die Auseinandersetzung mit seiner Angst nur, aber gleichzeitig blieb ihm, die Dinge zu tun, die zu tun waren, und sich über die Konsequenzen ein andermal Gedanken zu machen.
Die Bevorzugung durch den Tribun war aber auch anderen nicht entgangen. Wie immer stellte sich Dekurio Septimus Secundus, sein alter Kamerad, als ein wertvoller Quell an Informationen heraus. Am Abend vor dem Aufbruch, am gemeinsamen Lagerfeuer, als sie beide eine Weile schweigsam in die halb geleerten Weinbecher gestarrt hatten, war Secundus, unvermittelt oder auch nicht, mit einigen Informationen herausgerückt, bei denen Volkert erst gar nicht recht einordnen konnte, warum sein Kamerad ihm diese zuteilwerden ließ.
Und auch noch ohne jede Gegenleistung.
Der junge Deutsche hätte misstrauisch werden müssen.
»Du bist oft mit dem Tribun zusammen.«
»Er ruft mich zu sich und gibt mir Aufträge.«
»Sicher, aber ich denke, du solltest wissen, mit wem du es da zu tun hast.«
»Sedacius? Was gibt es über ihn zu berichten?«
Auf eine solche Frage reagierte Secundus typischerweise mit jenem wissenden Gesichtsausdruck, der zu seinem Markenzeichen geworden war. Die unmittelbare Reaktion war meist, dass alle um das Feuer zusammenrückten und den Dekurio aufforderten, mit seinen frisch erworbenen Neuigkeiten herauszurücken.
»Sedacius ist mit dem Kaiser verwandt.«
Volkert nickte. Er hatte jetzt etwas mehr erwartet. Alle möglichen römischen Edelleute und Offiziere waren auf eine verzweigte Art und Weise mit dem aktuellen und wahrscheinlich über die Jahrhunderte mit einem Haufen Kaiser verwandt. Da Heiratspolitik ein wichtiges Mittel zur Etablierung persönlicher Netzwerke aus Macht und Einfluss war, schien ein solcher Zustand beinahe unausweichlich.
»Das sind viele«, war dann auch sein einziger Kommentar.
»Aber Sedacius ist einer der wenigen, die keinen Vorteil daraus zu schlagen trachteten. Deswegen ist er Tribun.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Er ist Tribun, weil er aus eigener Kraft eine militärische Karriere gewählt hat, und ist so weit gekommen, wie er es ohne Protektion des Kaisers hat schaffen können. Und er ist Tribun, weil alle denken, der Kaiser würde ihn bevorzugen, obgleich das gar nicht stimmt – was seine
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