Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
»Haleb hier soll Euch unterstützen, wo er nur kann. Er kennt den Negusa fast besser als ich. Er wird Euch beraten. Sogleich soll er Euch passende Unterkunft in meinem Palast bereitstellen. Ihr habt die Nacht im Kerker zugebracht und seid müde, hungrig und schmutzig. Ihr wünscht sicher ein Bad und ein gutes Mahl.«
Die Erwähnung von beidem löste ein erwartungsvolles Leuchten in den Augen seiner Gäste aus und Berhan wusste, dass er die richtigen Worte gewählt hatte.
»Haleb! Bring diese Männer in den Palast. Sie sollen alles bekommen, was für ihr leibliches Wohl notwendig ist. Bereite die Reise nach Aksum vor. Ich wünsche, dass unsere römischen Freunde mit allem ausgerüstet werden. Hilf ihnen, wo du nur kannst!«
»Ja, Herr!« Haleb verbeugte sich erneut.
Berhan erhob sich.
»Trierarch, setzen wir dieses Gespräch doch fort, wenn Ihr versorgt seid. Erholt und stärkt Euch. Haleb hier führt Euch sogleich in die Gemächer.«
»Wir danken, Statthalter!«
Die Römer erhoben sich gleichfalls und verließen unter Verbeugungen den Saal. Als Haleb sich ihnen anschließen wollte, winkte Berhan ihn zu sich. Sie steckten für einige Momente die Köpfe zusammen. Niemand konnte das leise Gemurmel hören, doch Haleb nickte mehrmals und verließ dann eilig die Audienzhalle.
Berhan sah ihm zufrieden nach. Auf Haleb konnte man sich verlassen. Er hielt ihn schon seit über zehn Jahren in seinen Diensten und hatte es noch nie bereut. Haleb war diskret und erfindungsreich. Er hatte die Reste der vergangenen Nacht bereits beseitigt, ohne dass es jemandem aufgefallen war, er hatte die beiden Attentäter besorgt, die den Römer getötet hatten, und er würde die Geschenke für den Negusa Nagast bereitstellen, für ihn und für seinen Nachfolger, den jungen Ouazebas. Würdige, kostbare Geschenke, wie man sie von einer ausländischen Delegation erwartete. Haleb würde viel Gold dafür ausgeben müssen.
Aber es würde sich lohnen.
Dessen war sich Berhan ganz, ganz sicher.
10
»Ich verstehe Sie nicht. Ich will Sie gar nicht verstehen.«
Rheinberg schaute auf die Tischplatte in der Kapitänskajüte der Saarbrücken. Von draußen hörte er das sanfte Plätschern der See, die Wellen, die sich am stählernen Leib des Kleinen Kreuzers brachen. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl von Frieden empfunden, als er nach so vielen Wochen wieder auf die Saarbrücken zurückgekehrt war. Ihm standen Villen und Paläste offen, Reichtum und Luxus für den höchsten militärischen Würdenträger des Römischen Reiches, aber es war hier, in der kleinen stählernen Kammer der Kapitänskajüte, in der sich Rheinberg richtig wohlfühlte.
Sein Wohlbefinden war in dem Moment empfindlich beeinträchtigt worden, als die beiden Infanteristen Markus Tennberg hereingeführt hatten. Der Fähnrich war gefesselt gewesen und Rheinberg hatte befohlen, die Stricke zu lösen. Tennberg hatte sich gesetzt und kein Wort gesagt. Obgleich ausdrücklich Anweisung gegeben worden war, ihm keinerlei körperlichen Schaden zuzufügen, sah der Mann verhärmt aus, etwas abgemagert. Der Kerker war für niemanden ein Sommerurlaub.
Als er Tennberg so ansah, war unwillkürlich der Gedanke an Thomas Volkert in Rheinberg hochgekommen. Auch ein junger Mann, von Tennbergs Alter, und rein rechtlich gesehen von gleichem Status, ein Deserteur. Und doch hatte Volkerts Entscheidung einen anderen Geschmack, hinterließ bei Rheinberg andere Gefühle, mehr Bedauern und Mitgefühl, Verständnis für jugendliches Ungestüm.
Für Tennberg hatte er nicht sehr viel mehr als Verachtung übrig.
Rheinberg seufzte kaum hörbar. Es war nicht seine Absicht, weitere Leben seiner Besatzung sinnlos wegzuwerfen. Jeder der Zeitreisenden war wertvoll und besaß unschätzbare Kenntnisse. Sie waren, ob sie es nun wollten oder nicht, eine durch das Schicksal zusammengefügte Gemeinschaft ganz besonderer Art. Es war keinesfalls so, dass Rheinberg für das Tun Tennbergs und von Klasewitz’ Verständnis aufbrachte oder vor Bestrafung zurückscheute. Aber für den Moment gestattete er sich die Vorstellung, dass der junge Tennberg hier Opfer einer Verführung ganz anderer Art gewesen war, wenngleich nicht halb so harmlos und romantisch wie der des Thomas Volkert.
Egal, was man in Romanen dazu las, Jan Rheinberg konnte an Meuterei nichts Romantisches finden.
Er suchte in den Augen Tennbergs und fand, worauf er gehofft hatte. Resignation und eine winzige Prise Hoffnung.
Damit konnte er
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