Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
recht zu wärmen vermochte. Überall zog es in diesem Raum, und obwohl Wandteppiche aufgehängt worden waren, um die Wärme in der Luft zu halten, war es recht frisch.
Seine beiden Gesprächspartner schien das nicht weiter zu stören. Der eine war ein älterer Mann mit würdevoller Haltung und einem schmalen, asketisch wirkenden Gesicht. Es handelte sich um Siricius, den Bischof von Rom, der sich selbst als Erster unter allen Bischöfen wähnte und aufgrund seiner Arbeit für die Einheit der Kirche von vielen geachtet wurde. Er war der Gastgeber der beiden anderen Männer, Maximus Magnus, Kaiser von Rom, und dessen ältestem Weggefährten Andragathius, offiziell zum Magister Militium ernannt.
Die schlechte Laune des Kaisers hatte nicht nur mit dem miesen Wetter zu tun – und dem Umstand, dass dieser Raum, den Siricius für seine Unterredung offenbar vorzog, schlecht gegen die Kälte geschützt war –, sondern vor allem mit der Tatsache, dass derzeit nicht alles so lief, wie er sich das vorgestellt hatte.
»Verdammt, Heermeister, wo ist Theodosius?«
Der alte General zuckte nicht zurück unter dem peitschenden Tonfall seines Herrn. Er kannte Maximus seit vielen Jahren und wusste ihn zu nehmen.
»Ich weiß es nicht genau. Südlich von Potentia.«
Maximus’ Gesicht verzog sich, als Andragathius den Namen der Stadt erwähnte. Die Kunde vom Anschlag der imperialen Truppen unter dem Kommando seines Gegenkaisers hatte ihn erst heute Morgen erreicht. Er verstand jetzt, was der Spanier vorhatte. Er suchte nicht die offene Feldschlacht und er ließ sich auch nicht stellen, einkreisen oder belagern. Er tanzte über italischen Boden wie ein betrunkener Schauspieler, schlug Haken , brach überraschend ein scheinbar dauerhaftes Winterlager ab, um seine Kundschafter zu verwirren. Und er schickte kleinere Truppenteile los, um Verwirrung zu stiften, Nadelstiche zu versetzen, Attentate auszuführen und Vorräte zu plündern. Nichts von alledem war geeignet, die Machtstellung des Maximus ernsthaft in Gefahr zu bringen, aber es kostete Aufmerksamkeit und Ressourcen und es war ein beständiger Stachel im Fleisch des neuen Kaisers, der um seine Legitimität zu ringen hatte. Alle seine Unterstützer, vor allem die neuen: der Senat, die Adligen, Ritter, reiche Händler, Honoratioren – alle warteten sie darauf, dass er Theodosius erledigte, wie er Gratian beiseitegeschafft hatte, und dass er die Herrschaft über den Osten tatsächlich und nicht nur dem Namen nach antrat.
Maximus fühlte sich eingeengt. Und er musste Theodosius seinen Respekt zollen. Ob nun der Spanier auf diese Idee gekommen war oder einer seiner Ratgeber, vielleicht sogar der Anführer der Zeitenwanderer selbst, war eigentlich egal. Die Strategie war klug, sie verursachte Schmerz und sie hielt eine delikate Situation am Leben, die dazu führte, dass vielen, die Maximus ihre Loyalität geschworen hatten, nicht zu trauen war. Die Leute warteten ab. Sie stellten sich nicht offen gegen den neuen Kaiser, aber sie waren vorsichtig, gewitzt durch die Geschichte des Imperiums und die Art, wie Herrscher an seiner Spitze sich abzuwechseln pflegten. Maximus aber benötigte mehr Helfer, mehr treue Gefolgsleute, Männer, die auch bereit waren, für ihren Augustus ein Risiko einzugehen. Und die fand er derzeit nur unter jenen, die schon von Anfang an mit ihm gewesen waren.
Sein Blick fiel auf Siricius. Auch dem Papst konnte er nicht trauen. Er würde abwarten wie alle anderen. Und im Gegensatz zu schleimenden Senatoren und Höflingen wusste der Bischof von Rom, dass er eine Machtstellung eigener Legitimation hatte, und war daher nicht halb so unterwürfig wie die meisten anderen seiner römischen Gesprächspartner.
Das war beinahe wohltuend, wie Maximus fand. So wusste er wenigstens, woran er war, und musste sich keine Gedanken über Doppeldeutigkeiten, Scharaden und Heuchelei machen. Von derlei bekam er nur Kopfschmerzen.
»Wir können im Winter nicht allzu gut operieren«, erklärte nun Andragathius weiter. »Dennoch wollen wir den Druck auf Theodosius aufrechterhalten. Ich werde noch in dieser Woche mit den Legionen gen Süden aufbrechen. Wir haben uns ausreichend verproviantiert und Winterkleidung besorgt. Wir müssen die Rebellen vor uns hertreiben wie damals Spartacus, bis ihnen der Bewegungsspielraum ausgeht. Dann wird es zur Schlacht kommen oder sie werden kapitulieren.«
»Ihr wollt ihnen die Chance zur Aufgabe geben, Augustus?«, fragte Siricius leise. Magnus
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