Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
mitfahren?«
Der Kutscher betrachtete ihn mit einem misstrauischen Blick. Godegisel seufzte und holte eine Münze hervor, ließ sie auf das Männchen durch die Luft zuspringen. Der Kutscher bewies eine bemerkenswerte und unvorhergesehene Agilität, als er das Metall aus der Luft schnappte und in Windeseile in seinem abgerissenen Mantel verschwinden ließ.
Dann grunzte er und wies auf den Platz an seiner Seite. Godegisel schwang sich auf den Kutschbock.
»Diese Richtung ist nicht so gut«, murmelte der Fahrer, als der Ochse sich ins Zeug gelegt hatte und der Karren wieder vorwärtsrumpelte. »Da gibt es bald eine große Schlacht.«
»Davon habe ich gehört.«
»Alles Blödsinn.«
»Ja?«
Das Männchen sah hoch.
»Die da oben kämpfen, doch für uns ändert sich nichts.«
»An welche Änderung hast du gedacht?«
Der alte Mann zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Wäre schon zufrieden, wenn mein Sohn nicht gezogen worden wäre. Wurde er aber. Kann sein, dass er jetzt dabei ist. Hab lange nichts mehr von ihm gehört.«
Er versank wieder in Schweigen und bewegte dabei die Lippen vor und zurück, als wollten weitere Worte sich durch seinen Mund nach vorne drängen, die er mit Kraft zurückhielt. Godegisel fand sich an Clodius erinnert, dessen Sohn vor langer, langer Zeit als Sklave weiterverkauft worden war und über dessen Schicksal er auch nichts mehr hatte erfahren können. Der junge Mann kannte viele solcher Geschichten. Die lange Flucht seines Volkes vor den Hunnen und die Leiden nach ihrer Ankunft hatten viele weiterer solcher Schicksale ausgelöst.
Er fragte sich, ob es einmal eine Zeit geben würde, zu der diese Dinge nicht mehr denkbar waren.
Godegisel war dieser Zeiten müde.
Er sagte dem Kutscher nichts von alledem. Er hatte genug erlebt auf seiner langen Reise durch das Reich, um zu verstehen, wie das, was die Großen entschieden, das Leben der Kleinen beeinflusste, und welche Schicksale sich dahinter verbargen. Ob sich Rheinberg darüber Gedanken machte? Er erinnerte sich daran, dass der Heermeister die Sklavenbefreiung vorantrieb und den Berufs- und Ständezwang abgeschafft hatte. Auf eine abstrakte Art dachte er wohl daran, ja. Aber trotzdem würde nicht zuletzt wegen seiner Taten der Sohn des alten Mannes möglicherweise demnächst auf dem nahen Schlachtfeld sterben.
»Die sollen uns in Ruhe lassen«, murmelte der alte Mann. »Warum können die uns denn nicht einfach in Ruhe lassen?«
Godegisel sagte immer noch nichts. Er spürte das Rumpeln des Karrens unter seinem Hintern, starrte auf die staubige Straße vor ihnen und wusste die marschierenden Legionen des Maximus hinter sich. Seine Erkenntnisse brannten ihm auf der Seele, er wollte sie unbedingt loswerden.
»Willst du in die Schlacht, Junge?«
Godegisel schüttelte den Kopf. »Nein, ich will nicht.«
Das war nicht einmal gelogen.
»Versteck dich, das sag ich dir«, meinte der Kutscher. »Versteck dich. Das ist alles, was unsereins noch bleibt.«
Godegisel schwieg und auch der Kutscher versank in Stille.
Verstecken, das wusste der Gote, war das Letzte, was er zu tun beabsichtigte.
25
»Die Soldaten des Maximus sind unterwegs!«
Rheinberg sah auf, blickte Richomer entgegen, der das Zelt betreten hatte, ein Stück Pergament in der Hand, mit dem er wedelte.
»Die Späher haben es soeben bestätigt. Auch unsere afrikanischen Verbündeten haben es gemeldet. Die Legionen marschieren.«
Rheinberg streckte sich. Das plötzliche Gefühl nahender Gefahr mischte sich mit Erleichterung. Die Wartezeit würde bald ein Ende haben. Mit dieser Schlacht würde es sich entscheiden. Er schüttelte die Angst ab. Sie hatten sich so gut vorbereitet, wie es nur ging, hatten Pläne geschmiedet, Bündnisse geschlossen, zur Hinterlist gegriffen. Viel mehr blieb ihnen jetzt nicht mehr.
»Ich möchte, dass Kundschafter den Vormarsch genau beobachten, sich aber ansonsten im Hintergrund halten. Wir wollen sie nicht aufhalten, denn wir sind bereit. Alle wünschen die Entscheidung.«
Richomer nickte. »Ich habe die entsprechenden Befehle bereits gegeben.«
Die Späher würden keine Probleme bekommen. Im Gegensatz zu den Männern des Maximus verfügten sie über die wenigen, kostbaren Ferngläser der Zeitenwanderer. Niemand musste sich in die Nähe des bewaffneten Lindwurms begeben, der sich auf sie zuwälzte. Bereits auf dem Weg hierher hatte Rheinberg gute Beobachtungsposten identifiziert, Anhöhen, Gebäude, weit entfernt, gerade
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