Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
den Kopf, wischte sich Erde von den Augen. Der Granatenwerfer wurde von einem Speer durchbohrt und sackte tot zu Boden, gefällt von einem der Legionäre des Verilius. Rheinberg sah an sich hinab, betastete seinen Oberschenkel, hob die blutige Hand vor sein Gesicht. Mühsam richtete er sich auf. Die Wunde war voller Blut, aber das Schrapnell hatte die zentralen Adern verfehlt, nur ein handtellergroßes Stück des Muskels herausgerissen. Rheinberg griff nach seinem Verbandspäckchen und presste einen Verband auf die Wunde, um sie dann mit einer Binde zu umwickeln. Es würde gehen – gehen müssen.
Während er sich versorgte, standen zwei Legionäre Wache, doch niemand näherte sich ihnen. Das Geknatter der Gewehre, die Schreie der Sterbenden und Verwundeten, Rheinberg blendete alles einen Moment aus. Als er fertig war, erhob er sich wieder, versuchte, das verwundete Bein nicht zu belasten. Schmerzwellen stiegen erneut empor, schwarze Wolken tanzten vor seinen Augen. Er taumelte. Jemand stützte ihn.
»Herr, es sind zu viele!«, wiederholte der Legionär, dessen Namen Rheinberg nicht kannte.
Er hatte recht. Die Truppen, die Maximus gegen die Stellung von Geerens gesandt hatte, waren zu zahlreich. Theodosius und seine Gardisten waren direkt in die Kämpfe verwickelt, ebenso wie Rheinberg und seine Männer.
»Kapitän!«
Die Stimme ließ ihn herumfahren. Ein Unteroffizier winkte ihm, das Gesicht verdreckt, ein Sturmgewehr mit aufgepflanztem Bajonett in den Händen.
»Dorthin!«, befahl Rheinberg.
Gestützt von den Legionären humpelte er in Richtung des Mannes. Augenblicke später saßen sie in einem Graben. Neben ihnen drei Infanteristen, die die Neuankömmlinge ignorierten, stattdessen gezielt auf die gegnerischen Legionäre schossen. Am Boden eine Gestalt mit kalkweißem Gesicht, schwer atmend, Schweiß auf der Stirn.
Von Geeren.
Rheinberg kniete sich nieder, den Schmerz im Bein ignorierend, richtete seinen Blick auf die Augen des Hauptmanns.
»Ah … Jan«, murmelte dieser mit plötzlichem Erkennen und deutete ein schwaches Lächeln an. »Wir haben heute irgendwie kein Glück!«
Seine Stimme war in dem Lärm kaum zu hören, doch Rheinberg war dem Gesicht des Mannes nahe genug, um sie auszumachen.
»Hat mich böse erwischt. Handgranate. Schau es dir lieber nicht an.«
Rheinbergs Blick wanderte sofort am Verletzten hinab und blieb kurz auf dem Chaos von Blut und Fleisch heften, das von Geerens Unterleib war.
»Der Sanitäter …«, brachte er hervor, doch von Geeren hob eine Hand.
»Kümmert sich um Leute, die zu retten sind. Weißt du was? Ich spüre da gar nichts mehr. Rein gar nichts. Bin übel gefallen. Hat Knacks gemacht. Böser Knacks. Kann nichts mehr bewegen. Ist auch kein Leben, Jan. Ist auch kein Leben.«
Rheinberg schluckte, spürte, wie Tränen in seine Augen traten. Er ergriff die schlaffe Hand des Sterbenden und suchte nach Worten … des Trostes, der Aufmunterung, irgendwas. Von Geeren schien das zu merken, denn wieder glitt dieses schwache Lächeln über seine Lippen.
»Geht in Ordnung, Jan. Zeit ist um. Hoffe, es ist nicht ganz umsonst.«
»Ich …«
»Geht schon. Ist besser so. Pass auf dich auf. Setz dich ab. Kein Grund, auch so zu enden. Scheiß Römer. Die spinnen, echt.«
Dann war der Blick von Geerens plötzlich unfokussiert ins Leere gerichtet. Er war tot. Rheinberg starrte ihn an, sprachlos, fühlte, wie sein Körper zu zittern begann. Er schloss für einen Moment seine Augen, ehe er über die Lider des Hauptmanns strich. Dann setzte er sich hin, spürte den Schmerz in seinem Bein und holte tief Luft. Der Unteroffizier sah ihn fragend an.
»Wer ist der ranghöchste Infanterist?«, brachte Rheinberg tonlos hervor.
»Leutnant Paulsen. Soll ich ihn holen?«
»Nein. Richten Sie ihm nur aus, dass er jetzt der Kommandant der Einheit ist.«
Der Unteroffizier nickte.
»Sie sollten sich absetzen. Der Hauptmann hat recht!«
Rheinberg seufzte. Alle waren so um sein Wohl bemüht.
Er hob seine Pistole.
»Ich habe noch rund zwanzig Schuss für die hier, Unteroffizier. Ich werde die nicht mitnehmen. Noch zwanzig Schuss.«
Der Mann grinste ihn an und nickte.
Rheinberg sah auf den reglosen Leib von Geerens hinab. Er würde trauern, zur richtigen Zeit, und es würde ein ordentliches Begräbnis geben. Er würde den Trauerzug in Konstantinopel stattfinden lassen, damit eine Tochter des Modestus Gelegenheit haben würde, sich von etwas zu verabschieden, was hätte sein
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