Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
die sich einst als ihre Waffenbrüder vorgestellt hatten.
»Rooom!«, brüllte Volkert, als er einen weiteren Schritt nach vorne machte.
»Rooom!«, echoten die Männer um ihn herum und der Ruf pflanzte sich fort, übertönte die Schmerzensrufe, die Hörner und Trompeten, die lauten Befehle der gegnerischen Anführer.
»Der Tribun! Folgt dem Tribun!«, hörte er dann die kräftige Stimme aus der Menge, und wieder pflanzte sich dieser Ruf fort, wurde von Kehle zu Kehle weitergetragen, und bald vermischte sich die Kakofonie der Stimmen.
»Der Tribun! Der Tribun! Rooom!«
Volkert fühlte sich vorwärtsgetragen durch diese Stimmen, wusste nicht mehr, ob er noch anführte oder von seinen Männern angeführt wurde, doch diese Unterscheidung wurde ohnehin zunehmend irrelevant. Wie eine entschlossene Welle der tiefsten Verachtung strömte die kompakte Einheit von mehreren Hundert Legionären gegen den verräterischen Flügel der afrikanischen Truppen und forderte einen Blutzoll, mit dem die Verräter niemals hatten rechnen können.
Zeit verlor ihre Bedeutung. Schmerz trat in den Hintergrund. Hauen und stechen. Den Feind ansehen, einschätzen, reagieren, agieren. Jeder Gegner war anders. Jeder war ein Verräter. Verräter starben an diesem Tag, und sie sollten alle in der Hölle schmoren.
Volkerts Wut war mehr als nur Verachtung für den Feind. Es war auch Verachtung für sich selbst. Je tiefer er sich in den wilden Rausch des Tötens steigerte, desto öfter sah er das Bild des stummen Sedacius, wie dieser sich mit einer entschlossenen Bewegung in sein eigenes Schwert stürzte, immer und immer wieder.
Verrat! Volkert wusste genau, welchen Preis man für Verrat zahlte! Und er richtete all jene, die diesen gewagt hatten, so wie er Gott herausforderte, ihn zu richten für seinen eigenen. Das trieb ihn an. Das stieß ihn vorwärts, und er war genauso rücksichtslos zu sich selbst wie zu allen anderen.
Ein Geheul ging durch die Menge, als die Leibgarde des Theodosius in die Schlacht eingriff. Er spürte, wie der Widerstand seiner eigenen Gegner schwächer wurde, als ob sie sich ihrer Sache nicht mehr so sicher seien wie zuvor.
Ein wildes Lachen entrang sich Volkert. Mochten sie alle zweifeln, er tat es nicht. Einmal mehr holte er tief Luft und brüllte aus Leibeskräften: »Rooom!«
Ein vielstimmiger Chor antwortete ihm. Sie alle hatten es gemerkt.
Doch der Aufschub war nur von kurzer Dauer, das aufsteigende Triumphgefühl verfrüht.
Trompeten und Hörner erklangen. Die Armee des Maximus setzte zu einem Sturm an, warf sich nach vorne, und Volkert sah mit Entsetzen, wie sie sich in die Linien seiner eigenen Einheit fraß, die auf zwei Fronten kämpfte und deren Kräfte nun rapide zu schwinden begannen.
Ein Ruf, ein Schrei, der Volkert den Kopf wenden ließ. Er starrte auf das Bild, das sich keine Hundert Meter von ihm abzeichnete, sah, wie General Richomer vom Pferd gezerrt wurde, wie er um sich schlug und wie andere ihm zur Hilfe eilten, dann schnellte von unten ein Speer hervor und durchbrach mit Kraft geführt die Brustplatte des Generals. Blut schoss aus seinem Mund, als er kraftlos und vom Pferd gezerrt wurde, in Stücke gehieben von triumphierenden Legionären des Maximus.
Volkert wandte seinen Blick ab. Verflogen war der Blutrausch, der Wahnsinn des Kampfes, der ihn vorangetrieben hatte. Er fühlte, wie seine Männer Platz für ihn machten, als er sich von der Front abwandte. Er musste wieder Befehle geben. Wie viele Offiziere welchen Rangs führten hier unten noch das Kommando? Wo waren sie? Wo war Theodosius und wo war Rheinberg?
Er drehte sich einmal um sich selbst, verzweifelt auf der Suche nach Antworten, nach einem Überblick, irgendeiner Orientierung in diesem Chaos aus Verrat, Schmerz und Tod.
Was passierte hier eigentlich?
38
»Es sind zu viele!«, rief einer der Legionäre Rheinberg zu. »Es sind einfach zu viele!«
Rheinberg hob die Pistole, visierte einen von Maximus’ Männern an, drückte ab. Der Treffer auf so kurze Entfernung war unausweichlich, der Soldat zuckte zusammen, taumelte zurück, fiel zu Boden.
Ein weiterer trat an seine Stelle, warf etwas. Rheinberg fühlte sich niedergerissen, als jemand ihn heftig am Arm zog, sodass er das Gleichgewicht verlor und stürzte. Dreck und lose Erde prasselten auf ihn nieder, als die krude Handgranate explodierte. Er spürte, wie etwas in seinen Oberschenkel eindrang und Schmerzwellen durch seinen Körper schickte. Rheinberg hob
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