Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
und andere Ideen niederzuschreiben. Er fand, dass die aktuellen Posen der Kaiserstatuen etwas zu einseitig und monoton wirkten. Er würde es zu seinem persönlichen Projekt machen, die Propagandawirkung dieser Kunst zu seiner vollen Wirkung zu entfalten. Abwechslung, die Darstellung aller wichtigen Aspekte, aller Facetten und Nuancen, gehörte ebenso dazu wie die Einhaltung bestimmter Grundregeln. Von Klasewitz freute sich ganz besonders auf diese Aufgabe und auf die ersten Ergebnisse. Sich selbst überlebensgroß in Marmor gemeißelt betrachten zu dürfen, sicher hier und da ein wenig idealisiert, stellte er sich als ganz großartige Sache vor.
Jetzt aber zählte nicht die Ewigkeit, sondern der Augenblick, in dem er Würde und Ernsthaftigkeit beweisen musste, und da durfte ein scharf riechender Purpurmantel ihm nicht im Wege stehen. Alle sahen ihn erwartungsvoll an. Die Offiziere, die auf Petronius’ Seite standen, hatten seine Proklamation zum Imperator erwartungsgemäß unterstützt. Die einzigen Truppen in unmittelbarer Verfügung – die Artillerielegion des Heermeisters – hatten ebenfalls durch lautstarken Jubel deutlich gemacht, dass diese Entwicklung ihren Beifall fand. Und angesichts der Tatsache, dass der Rest der Armee immer noch damit befasst war, die recht hartnäckigen Gefolgsleute des toten Theodosius abzuschlachten, hatten sich die Parteigänger des toten Vetius vornehm zurückgehalten, um nicht dessen Schicksal zu teilen. Sie würden eine Weile gute Miene zum bösen Spiel machen. Und wenn sie dann selbst zu Intrige und Gegenschlag ausholten, würden sie feststellen, dass ihnen Freiherr von Klasewitz, Kaiser und Augustus, jederzeit den ausgestreckten Arm würde abschlagen können.
Wozu er immer und mit Freuden bereit war.
Und so wurde er Kaiser von Rom. Von ganz Rom. Theodosius war tot. Seine Armee löste sich vor den Augen des neuen Kaisers auf. Von Klasewitz, der als Johannes I. regieren würde, hatte nicht die Absicht, den Fehler des Maximus zu begehen und zu große Nachsicht zu zeigen. Ja, es gab militärische und politische Notwendigkeiten, aber man musste diesen auf ungleich subtilere Art Raum verschaffen, als Maximus dies beabsichtigt hatte. Der neue Kaiser war fest davon überzeugt, dass es notwendig war, ein Exempel zu statuieren. Bekannte Arianer oder Anhänger alter Kulte würden öffentlich hingerichtet werden, schworen sie nicht ab oder ließen sie sich nicht taufen. Petronius hatte eine größere Schar an Priestern bereitgestellt, die in kurzer Zeit ordentliche Taufzeremonien durchführen konnten, daran sollte es also nicht mangeln. Jeder, der an seinem überholten oder falschen Glauben festhielt, würde die Freude haben, ein Märtyrer für seine Überzeugungen zu werden. War dies der Wunsch der Unbelehrbaren, so war von Klasewitz durchaus bereit, diesen zu erfüllen. Petronius würde keinen Grund zur Klage finden, ebenso wenig wie sein Herr, der Bischof Ambrosius. Von Klasewitz hatte die Absicht, vor allem in Afrika das Christentum zu stärken und auszubreiten. Er wusste aus der Zukunft, was hier auf sie zukam, vor allem der Islam würde auf dem Schwarzen Kontinent schnell große Erfolge feiern. Es galt, bereits jetzt Vorsorge zu treffen, um den Sultanen der Zukunft ihre Grenzen aufzuzeigen. Von Klasewitz glaubte nicht, dass er die Entstehung dieser Religion würde verhindern können, aber ihre Ausbreitung sollte zu kontrollieren sein. Als er diese Dinge mit Petronius besprochen hatte, fand er in ihm einen starken Unterstützer. Auch im asiatischen Osten des Reiches würden Maßnahmen zur Stärkung der Christenheit zu treffen sein, auf dass Kreuzzüge sich in der Zukunft als unnötig erweisen und Konstantinopel auf immer Konstantinopel bleiben würde. Was er tun konnte, um dies zu gewährleisten, das wollte von Klasewitz tun. Und um der Dekadenz im Reiche einen Riegel vorzuschieben, war eine starke Staatskirche in Verbindung mit einem starken Kaisertum die einzig wirkungsvolle Kombination. Hier war der neue Kaiser absolut auf einer Linie mit den Trinitariern, und wenn auf dem Wege dorthin Blut zu vergießen war, dann war es eben so. Und war es das Blut kleiner Kinder – wie eines gewissen Knaben namens Arcadius, der in Spanien noch nichts von seinem baldigen Ableben wusste –, dann war auch dies in Kauf zu nehmen. Von Klasewitz würde sich dafür von geeigneter Autorität beizeiten Absolution erteilen lassen.
Er saß ja jetzt sozusagen an der Quelle.
Alles wurde gut.
Alles
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