Kaiserkrieger: Der Aufbruch
vor Hunderten von Jahren einen solchen Kanal errichtet. Die Perser haben ihn ausgebaut und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass trotz entsprechender Anstrengungen unter Kaiser Trajan der Kanal zum größten Teil mittlerweile versandet ist .«
Köhler schüttelte den Kopf, weniger aus mangelndem Glauben, sondern mehr über sich selbst.
»Ich muss mich mal wieder entschuldigen, mein Freund«, sagte er dann. Er trat für einen Moment an das Fenster, das ihm einen guten Blick auf die neue Werftanlage bot. Von hier konnte er nicht nur die an einem Pier im sanften Wind schaukelnde Valentinian erblicken, sondern auch die unweit davon geankerte Saarbrücken. Drehte er seinen Kopf etwas nach rechts, war die endlos erscheinende Reihe von Arbeitssklaven zu entdecken, die mit Schaufeln und Eimern damit beschäftigt waren, das große Trockendock auszuheben, das zum Kernstück der Hafenanlage gehörte. Dort sollte in einigen Wochen, nach der Fertigstellung, der Kleine Kreuzer auf Grund gelegt und überholt werden. Das Wasser des Mittelmeers griff den Eisenrumpf mit besonderer Aggressivität an und Dahms betrachtete den sich stetig ausbreitenden Rost mit großer Sorge. Es war höchste Zeit, dem Schiff einen komplett neuen Anstrich zu verpassen.
Köhler wusste auch, dass es der Plan Rheinbergs war, alle Sklaven danach zu kaufen, sobald genügend Gold vorhanden war, und sie sofort freizulassen. Bereits jetzt wurden sie behandelt wie Angestellte, nicht wie Eigentum, darauf hatte der Kapitän bestanden.
Dann fiel sein Blick wieder auf den Kreuzer. Was passieren würde, wenn ihnen die Farbe ausging, wollte sich Köhler nicht ausmalen. Einer der Gründe, warum Rheinberg die Entwicklung von hölzernen Dampfschiffen römischer Fertigung so forcierte, war nicht zuletzt die Angst, dass die Lebensdauer und Einsatzbereitschaft der Saarbrücken begrenzt waren und sie über alternative Machtmittel verfügen mussten, wenn es so weit war.
Wenn der Kreuzer nur noch ein vor sich hin rostendes Wrack sein würde.
Köhler wollte nicht daran denken. Er riss sich von diesem Bild los und wandte sich wieder an Africanus, der ihn nur lächelnd beobachtet hatte.
»Gut, es gibt also einen Kanal, wir können ihn aber trotzdem nicht benutzen, weil er nicht vor der Versandung geschützt wurde .«
Africanus hob die Schultern. »Es steht auf der Liste .«
Köhler schüttelte den Kopf. Er hatte diese Antwort in den letzten Wochen ziemlich oft gehört. Die sagenumwobene Liste war von Rheinberg und Dahms aufgestellt worden. Sie enthielt alle Maßnahmen, die man zu ergreifen trachtete, »wenn Zeit dafür war«. Die Rekonstruktion des Kanals gehörte sicher dazu, ebenso wie einige andere Baumaßnahmen. Jetzt, wo sie bewiesen hatten, dass es möglich war, aus Bronze eine funktionsfähige, wenngleich nicht besonders leistungsfähige Dampfmaschine zu bauen, standen auf der Liste sogar ehrgeizige Dinge wie ein das Römische Reich durchziehendes Eisenbahnnetz. Dies würde für Handel, aber auch für die Verteidigung gigantische Vorteile bringen – und es war jetzt zumindest theoretisch technisch machbar. Wenn jemand fragte, wann man sich darum kümmern würde – wie um viele andere Herausforderungen auch –, war die Antwort: Es steht auf der Liste. Als ob es damit dann auch schon getan sei.
Kaffee zu besorgen hatte auch auf der Liste gestanden, vor allem, als klar wurde, dass die Kaffeebohne trotz des Zugangs zu Aksum offenbar noch nicht bekannt war. Es war Köhlers und Behrens’ Initiative zu verdanken, dass dieser Punkt von der Liste gestrichen worden war, um ihn auch tatsächlich umzusetzen. Rheinberg nannte es sein »Wohlfühl-Projekt« – der Versuch, den Kritikern zu beweisen, dass die Ankunft der Deutschen nicht nur deswegen Vorteile hatte, weil das Reich nun effizienter seine Feinde umbringen konnte. Köhler war die Motivation egal, die den Kapitän dazu bewogen hatte, dem Vorhaben zuzustimmen.
Er wollte endlich wieder richtigen Kaffee trinken.
»Wir werden also nicht nach Adulis reisen. Was ist die Alternative ?« , fragte der Hauptbootsmann.
»Nicht so schnell, mein Freund. Wir können natürlich über Alexandria kommen, dann per Flussboot den Nil hinauf und dann über die südliche Grenze der ägyptischen Provinz auf dem Landweg nach Aksum. Doch diese Reise dauert viel länger, wenngleich es der direkte Weg ist, denn er ist beschwerlich und das Wetter heiß. Außerdem können wir auf Wagen nur relativ wenige Handelsgüter mitführen. Doch
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