Kaiserkrieger: Der Aufbruch
nachschenken zu lassen. Martinus war auf einem guten Weg, fand sie, er musste nur zur rechten Zeit gestoppt werden. Als Julia sah, dass ihre Mutter die Situation genau im Blick hatte, fühlte sie sich seltsamerweise beruhigt; eine Empfindung, die sie bezüglich ihrer Mutter eher selten empfand.
Dann trat ein Mann in einer seltsamen Uniform vor sie, verbeugte sich, hob seinen Becher zum Gruße und sagte in ungelenkem Latein: »Ich beglückwünsche Euch zu Eurer Vermählung und überbringe Euch die besten Glückwünsche des Magister Militium. Der edle Rheinberg muss sich leider entschuldigen, da er in wichtigen Staatsgeschäften auf dem Wege nach Trier ist .«
Julia erwiderte die Verbeugung. Der Mann war einer der Zeitenwanderer, die natürlich ebenfalls zu diesem Fest eingeladen worden waren. Senator Michellus gehörte neben Symmachus zu den engsten Verbündeten der Deutschen im römischen Senat und war Rheinberg persönlich bekannt. Es war sicher das Mindeste, dass der neue Heermeister einen Stellvertreter entsandt hatte.
Der Mann verbeugte sich erneut. »Ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Oberleutnant Joergensen von der Saravica. Stets zu Euren Diensten.«
Julia lächelte, diesmal durchaus von Herzen, und warf einen schnellen Blick nach links und rechts. Niemand von Bedeutung war in Hörweite.
»Sagt, Oberleutnant, habt Ihr von Eurem Deserteur gehört ?«
Der junge Mann verzog für einen Sekundenbruchteil das Gesicht, ehe sich wieder eine höfliche Maske über seine Züge legte. »Welchen meint Ihr genau, Julia? Wir hatten leider so einige in letzter Zeit, unseren ehemaligen Ersten Offizier vorneweg .«
»Ja, eine Schande, und wie gut, dass es nicht zu Schlimmerem gekommen ist. Nein, ich meine jenen jungen Fähnrich … das ist doch das richtige Wort, oder? … wegen dem es meine Eltern nun so eilig hatten, mich mit diesem Mann dort zu vermählen .«
Julia blieb von perfekter Höflichkeit und ließ sich keine Bitterkeit anmerken. Es war nicht zuletzt auch das Unverständnis Rheinbergs, das zur Eskalation geführt hatte. Sie hoffte, dass sie sich gut genug im Griff hatte. Joergensen hingegen war weniger beherrscht. Als sie ihre Frage gestellt hatte, war ein Schatten über seinen Blick gefallen. Er wirkte gar nicht einmal wütend oder verärgert wie zu dem Zeitpunkt, als er von Klasewitz erwähnt hatte. Julia schien es, als sei der Offizier eher … traurig.
Das war interessant, wie sie fand.
»Wir haben nichts von ihm gehört«, sagte der Mann schließlich nach einigem Zögern. »Er ist wie vom Erdboden verschwunden .«
»Aber Ihr lasst noch nach ihm suchen ?«
Joergensen zuckte mit den Achseln.
»Die römische Verwaltung wurde angewiesen, nach ihm Ausschau zu halten, aber ein einziger Mann im ganzen Reich … das dürfte eher Zufall sein, wenn wir ihn aufspüren sollten .«
Julia runzelte die Stirn.
»Ihr scheint aber auch keinen allzu großen Nachdruck bei der Suche zu betreiben«, meinte sie.
»Das ist nicht ganz falsch«, gab der Deutsche zu. »Thomas Volkert hat einen Fehler gemacht, aber er ist jung und vielleicht etwas ungestüm. Wenn ich Euch so als strahlende Braut vor mir sehe, kann ich gut verstehen, dass einem die Gefühle den Kopf verdrehen können .«
Julia schenkte ihm für das Lob ein strahlendes Lächeln. Sie wollte, dass er weitersprach.
»Aber Kapitän … Pardon, Heermeister Rheinberg hat durch die Meuterei Männer verloren, und obgleich unsere Bemühungen um die Ausbildung römischer Seeleute gute Fortschritte machen, brauchen wir jeden erfahrenen Mann. Dennoch ist Fahnenflucht ein sehr ernsthaftes Vergehen. Wir können nicht einfach so darüber hinwegsehen. Und die römische Seite … man hat uns verdeutlicht, dass eine allzu schnelle Begnadigung Volkerts politisch auch nicht opportun wäre. Es müssen klare Grenzen gezogen werden, vor allem angesichts der Tatsache, dass er eine Senatorentochter entführen wollte .«
Eine eigenwillige Interpretation der Realität, dachte Julia bei sich, behielt aber ihr Lächeln. Darin war sie mittlerweile geübt.
»… so hoffen wir ein wenig, dass etwas Gras über die Sache wächst. Tatsache ist aber, dass er derzeit in Gefahr ist, von den römischen Behörden gefunden und hingerichtet zu werden. Der Heermeister ist durchaus zur Milde bereit, aber man verlangt von ihm, ein Exempel zu statuieren, das zeigt, dass er seine eigenen Leute genauso behandelt wie einen römischen Soldaten. Daran können wir bis auf Weiteres nichts
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