Kaiserkrieger: Der Aufbruch
Geeren war ebenfalls anwesend, hatte offenbar auf einem Sofa gewartet, einen Becher Wein in der Hand. Auch er kam sofort auf die Füße, als der Diener Rheinberg hereinführte. Ebenfalls zugegen war Elevius, der Leibdiener des Kaisers, der ihn seit seiner Kindheit betreute und vor dem Gratian, wie Rheinberg wusste, keine Geheimnisse hatte. Der alte Mann goss heißen Wein in einen Becher, als der Kapitän der Saarbrücken näher trat, und überreichte ihn mit einer leichten Verbeugung.
»Die Reise war ereignislos, wie ich hoffe ?« , eröffnete Gratian das Gespräch, nachdem sie sich in römischer Sitte an den Unterarmen gefasst und begrüßt hatten. »Die Straßen sind sicher ?«
»So sicher, wie man es erwarten kann, wenn man von vierzig Kavalleristen begleitet wird«, erwiderte Rheinberg lächelnd. »Aber generell sieht die Situation nicht schlecht aus. Selbst die Sarmaten halten sich zurück, wie ich hörte. Die Kunde vom Sieg bei Thessaloniki scheint viele Barbaren gehörig beeindruckt zu haben und die Anführer wollen wohl lieber erstmal etwas abwarten .«
»Setzen wir uns !«
Die Männer nahmen Platz und in den ersten Minuten drehte sich das Gespräch um Nichtigkeiten. Rheinberg spürte, wie er sich entspannte. Der warme Wein mochte auch seinen Beitrag dazu leisten, aber er kam mehr und mehr zu der Überzeugung, dass man mit dem jungen Kaiser gut arbeiten konnte. Er hatte immer noch etwas Wankelmütiges, Sprunghaftes an sich und hielt mitunter schwer an einer Meinung fest, aber da er nun das gesamte Reich verwaltete, schien die gestiegene Verantwortung ihn reifen zu lassen. Die Tatsache, dass er mit Rheinberg einen Berater hatte, der sich bemühte, den Kaiser mit den Realitäten seines Reiches manchmal auch brutal zu konfrontieren, hatte sicher ihren Anteil daran.
Gratian warf einen langen Blick auf Rheinberg, ehe er zu sprechen begann.
»Heermeister, Eure Reformen bringen mich in Schwierigkeiten .«
Rheinberg nickte. Er wusste, dass jetzt noch kein Kommentar von ihm erwartet wurde.
»Da wären die Entscheidungen bezüglich der Religion. Ich glaube fast, das sind noch die harmlosesten. Ich bekomme Unterstützung von jenen, mit denen ich am wenigsten zu tun habe: Symmachus und der Fraktion der Traditionalisten, die noch an den alten Kulten hängen. Die Bestätigung des Toleranzedikts hat ihnen in die Hände gespielt. Selbst die Kürzung der Alimente für Tempel und Priester haben sie geschluckt .«
»Das war der Preis, den sie zu zahlen hatten«, warf Rheinberg nun ein. »Die mächtigsten und reichsten der alten Kulte sind dabei, eine Organisation zu gründen, die Spenden bei den Anhängern sammelt, um die Tempel zu erhalten. Sie müssen sich selbst organisieren .«
»Das hat mir immerhin geholfen, bei den Christen die unzähligen Steuerbefreiungen für kirchliche Güter etwas zurücknehmen zu können. Wir haben uns auf ermäßigte Abgaben geeinigt, mehr oder weniger. Noch zahlen nicht alle .«
»Anfangsprobleme.«
Gratian runzelte die Stirn. »Ja, vielleicht. Hoffentlich. Aber der finanzielle Aspekt ist nur das eine. Die Christen wettern gegen die Bestätigung des Edikts und die Trinitarier gegen die Anerkennung der Arianer und umgekehrt. Das regt sie fast noch mehr auf als meine Toleranz gegenüber Jupiter, Hera und Venus .«
»Wir haben das erwartet. Aber es ist immer noch besser, als die jeweilige Gegenseite von Staats wegen zu verfolgen und damit wertvolle Ressourcen für etwas auszugeben, was uns bei der Bewältigung der eigentlichen Problematik nicht hilft .«
»Ja«, meinte der Kaiser. Er bemühte sich erkennbar darum, überzeugt zu klingen, doch Rheinberg wusste, dass er sich überwinden musste. Gratian war als sehr frommer Trinitarier erzogen worden. Es fiel ihm schwer, über seinen eigenen Schatten zu springen.
»Dann die gesamte Steuerreform«, klagte der Kaiser nun. »Die Abschaffung zahlreicher Steuerprivilegien. Das war ein Geheul. Es ist immer noch ein Geheul. Die Verwaltung stöhnt. Ich weiß noch nicht einmal, wie wir die ganzen Steuern eintreiben sollen !«
»Dafür aber wurden die Steuersätze gesenkt«, gab Rheinberg zu bedenken. »Mehr Leute müssen jetzt zahlen, aber dafür individuell weniger .«
»Das freut manche, wie viele Händler oder Zunfthandwerker, aber all jene, die bisher befreit waren? Ich muss mir da einiges anhören lassen, Heermeister .«
»Das kann ich gut verstehen !« Rheinberg versuchte, ein gewisses Maß an Mitgefühl in seine Stimme zu legen.
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