Kaiserkrieger: Der Aufbruch
schlechter waren als die Kanonen, mit denen der 30-jährige Krieg ausgefochten werden würde. Sie schossen keine Kugeln, sondern eine Art Eisenschrot, in dünnen Stoffsäcken zusammengepresst. Die Bombarden sollten keine Schiffe versenken, sondern bei Piraten oder anderen Gegnern auf Deck die Mannschaften niedermähen, um einen Enterversuch entweder abzuwehren oder gar nicht erst möglich zu machen. Weinkamp hatte unter begeisterter und verschreckter Anteilnahme zahlreicher römischer Zuschauer einige Testschüsse abgefeuert und durfte feststellen, dass Zielen und Treffen zwei Vorgänge darstellten, die nur schwer miteinander in Einklang zu bringen waren. Immerhin knallten die Kanonen laut und qualmten ordentlich, was wahrscheinlich seine psychologische Wirkung auf eventuelle Gegner nicht verfehlen dürfte.
Alles in allem war die Valentinian ein Schiff, das so effizient gebaut worden war, wie sie es sich in der Kürze der Zeit hatten erlauben können. Das machte den neuen Stolz der römischen Flotte nicht schön – Weinkamp hatte mit seinem Urteil nach rein ästhetischen Gesichtspunkten nicht unrecht –, aber hoffentlich doch so beeindruckend, dass die Anrainer des Mittelmeeres erkennen würden, dass, in übertragenem Sinne, ein frischer Wind wehte. Auch, wenn er die stinkenden Abgase einer Dampfmaschine brachte.
»Weinkamp, beherrschen Sie sich! Wir werden beobachtet«, bequemte sich Köhler jetzt doch noch zu sagen. In der Tat: Die Hafenmauer stand voller Schaulustiger und auf einer hölzernen Tribüne, beschirmt durch einen Baldachin, saßen Honoratioren des Reiches. Marineoffiziere, der Militärpräfekt Renna, ein guter Freund der Deutschen, hohe Stadtbeamte und einige Senatoren. Eine Gruppe Musikanten spielte auf und Händler boten einen Imbiss an, es herrschte fast Jahrmarktsstimmung. Angesichts so vieler Zuschauer durfte das Auslaufen der Valentinian keinen Makel haben, und die Hoffnungen richteten sich dabei vor allem auf den unterdecks tätigen Forstmann, der die Dampfmaschine seit einer guten halben Stunde befeuerte und ihr zumindest bereits einige Rauchwolken hatte entlocken können. Angesichts der Tatsache, dass heute ein trüber Wintertag war, windstill, mit sanftem Nieselregen, war die neue Technik besonders wichtig, denn sonst würde man sich auf die offene See rudern lassen müssen.
Und das würde, bei aller Höflichkeit, garantiert für so manche spöttische Bemerkung sorgen.
Aurelius Africanus, offiziell der Kapitän der Valentinian, war erkennbar nervös. Seine langjährige seemännische Erfahrung half ihm jetzt nur ein kleines Stück weit, denn dieses Schiff war für ihn ungewohnt. Es hatte einige wenige Werfterprobungsfahrten gegeben, die der Trierarch dazu genutzt hatte, sich mit dem Seeverhalten der ungewohnten Konstruktion vertraut zu machen, doch es war diese Jungfernfahrt, auf der sich das Schiff und damit auch der Kommandant erstmals richtig bewähren musste.
Africanus konnte auf Köhlers Hilfe vertrauen, der offiziell das exaltierte Amt des Ersten Offiziers innehatte. Dennoch durfte sich der Bootsmann nicht zu sehr in den Vordergrund spielen, das würde die Autorität des Trierachen untergraben. Es war eine bewusste Entscheidung gewesen, einen Römer zum Kapitän des neuen Schiffes zu machen. Der Minderwertigkeitskomplex derjenigen, die erkannten, wie weit die technologische Entwicklung der Zeitenwanderer der des Reiches voraus war, musste aktiv bekämpft werden, damit die Deutschen und ihre Rolle Akzeptanz fanden. Africanus war stellvertretend für alle römischen Seekapitäne an Bord und es lasteten große Erwartungen auf seinen Schultern. Er war sich dieses Drucks sichtlich bewusst, denn wer ihn kannte, sah sofort, dass einiges von der Souveränität seines Auftretens nur Schauspielerei war. Köhler irritierte das nicht. Er war schon immer der Ansicht gewesen, dass zu einem guten Offizier auch stets solides darstellerisches Talent gehörte, da er es schaffen musste, auch in größter Gefahr der Mannschaft Zuversicht und Selbstvertrauen zu vermitteln. Das bloße Auslaufen aus dem Hafen bei Windstille sollte zu den kleineren Übungen gehören.
»Leinen los !« , brüllte Africanus mit heiserer Stimme.
»Leinen sind los !« , kam eine vielstimmige Antwort sowohl vom Pier her wie auch von der Mannschaft des Schiffes. Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung löste sich der Dampfsegler von der Mauer. Köhler behielt den Vorgang genau im Auge, sah aber keine Veranlassung
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