Kaiserkrieger: Der Aufbruch
einzugreifen.
Africanus seufzte auf, was aber nur jene mitbekamen, die bei ihm auf dem Oberdeck standen. Der alte Gubernator von Africanus’ versunkener Trireme war auch hier für das Steuer verantwortlich und hatte sich mit dem für ihn ungewohnten, aber letztlich weitaus komfortableren Steuerrad vertraut gemacht. Der Trierarch zog das Mundstück des Sprachrohrs zu sich, pustete hindurch und befahl: »Maschine viertel Kraft voraus !«
Köhler konnte sich gut vorstellen, wie Forstmann angesichts dieser Order das Gesicht verzog. Viertelkraft war bei der Bronzedampfmaschine, die keinen gescheiten Druck aufbauen konnte, eine lächerlich geringe Beschleunigung. Aber der Oberheizer befolgte den Befehl ohne weiteres Murren. Der Dampf stieg nun rhythmisch aus dem Schornstein auf und das Oberdeck, genau über der Anlage samt Antriebswelle gelegen, begann sanft zu erzittern. Köhler schloss die Augen und fühlte, wie sich der Dampfsegler zu regen begann.
Die Valentinian erwachte.
Mittlerweile hatten die Mannschaften das Schiff mit langen Stöcken weiter von der Hafenmauer geschoben. Der Steuermann benötigte keine Befehle, um seine Arbeit zu machen. Er wirbelte das Steuerrad herum, als er genauso wie Köhler fühlte, dass das Schiff auf das Ruder zu reagieren begann. Der Bug des Dampfseglers schwang zur Mitte des Hafenbeckens hin. Sanft glitt das Schiff über das glatt daliegende Wasser.
Die Zuschauer betrachteten den Vorgang mit andächtiger Stille. Selbst die Musikanten hatten zu spielen aufgehört. Die Honoratioren hatten sich unter ihrem Baldachin von den Sitzen erhoben. Einige von ihnen hatten die Saarbrücken schon in Aktion gesehen, aber das hier war etwas ganz Besonderes. Kein Wunderwerk aus einer abstrakt fernen Zeit, sondern das Werk römischer Schiffsbaukunst – mit etwas Hilfe, ja, aber ein Schiff, das jeder hier leichter begreifen konnte als den metallenen Koloss des Kleinen Kreuzers.
Dieses Schiff gehörte zu ihnen, richtig zu ihnen. Ein Römer, einer der Ihren, kommandierte es und ein anderer steuerte es. Dass es ein deutscher Oberheizer war, der im Inneren des Dampfseglers dafür sorgte, dass die Dampfmaschine funktionierte, war nicht zu sehen und wurde von vielen wahrscheinlich ausgeblendet. Köhler gestattete sich ein Lächeln. Die Entscheidung Rheinbergs, die Valentinian sogleich mit vorwiegend römischer Besatzung auslaufen zu lassen und Africanus das Kommando zu übertragen, war goldrichtig gewesen. Die Zuschauer am sehr langsam kleiner werdenden Pier strahlten Stolz und Bewunderung aus, wo sie die Saarbrücken eher mit Angst und eingeschüchtert betrachtet hatten.
Triremen und kleine Segler umschwärmten die Valentinian, begleiteten das Schiff aus dem Hafenbecken hinaus und gaben ihm Geleit. Bunte Fahnen und Wimpel hingen von den Masten und an den Seilen, Menschen winkten begeistert. Köhler hörte einen fröhlichen Aufschrei und er sah wie der junge Marcellus, das erste römische Besatzungsmitglied der Saarbrücken, aufgeregt an der Reling stand und auf den Zehenspitzen wippte, während er heftig winkte. Köhler machte einen Schritt nach vorne und erkannte, dass unter den zahlreichen Schiffen, die die Valentinian begleiteten, auch das Fischerboot von Marcellus’ Vater war, der seinen Sohn mit sichtlichem Stolz in die Obhut von Marineoberingenieur Dahms gegeben hatte, um aus ihm mehr zu machen als einen Fischer. Dahms hatte die Aufgabe sehr ernst genommen und der fast 13 Jahre alte Bursche hatte unter der Masse der Lektionen schnell zu stöhnen begonnen. Doch da er nicht zuletzt aufgrund der Rolle, die er bei der gescheiterten Meuterei gespielt hatte, zu so etwas wie dem Schiffsmaskottchen geworden war, hatte er sich dieser Ehre für würdig erweisen wollen. Seine erste große Fahrt, als Assistent von Forstmann, war eine Belohnung und eine Bewährungsprobe zugleich. Dahms hatte tatsächlich etwas feuchte Augen gehabt, als er zugestimmt hatte, dass Marcellus an Bord gehen durfte. Natürlich war dies nur auf eine Augenreizung zurückzuführen, wie er sogleich versichert hatte. Niemand hatte ihm diese Ausrede abgenommen.
Dahms hatte daheim – in der fernen Zukunft – eine Familie, eine Frau und einen Sohn zurückgelassen, die er wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Jeder wusste, dass er den jungen Marcellus mit der gütigen Strenge eines Vaters und weniger mit der rücksichtlosen Disziplin eines Vorgesetzten behandelte, und niemand hatte es ihm je vorgeworfen.
Köhler hatte zweimal
Weitere Kostenlose Bücher