Kaisertag (German Edition)
sauber in Form gepresstem Blech gefertigt wurden, wie es der Tradition der in aller Welt berühmten deutschen Spielwarenindustrie entsprach. Kunststoffautos hätte man bei Karstadt vergeblich gesucht, denn derartige Bazarware war unter der Würde eines Kaufhauses von Ruf; man überließ sie leichten Herzens kleinen Geschäften und Straßenhändlern.
Alexandra wich dem von der Decke herabhängenden Modell eines Zeppelin-Luftkreuzers von respektablen Abmessungen aus und ließ den Blick über die ausgestellten Stücke wandern. Schon als Kind waren ihr Puppen und alles andere, was nur für Mädchen bestimmt war, völlig gleichgültig gewesen. Sie hatte sich immer viel mehr für die Spielzeuge der Jungen begeistert und ihrem älteren Bruder regelmäßig die Autos abgenommen, falls nötig sogar mit Gewalt. Ihre Eltern empfanden diese ungewöhnliche Vorliebe als irritierend, doch ihr Großvater war weniger leicht aus dem Konzept zu bringen gewesen: Der alte Herr hatte seiner Enkelin zum Geburtstag ohne Bedenken eine elektrische Fleischmann-Eisenbahn geschenkt.
Nun musste sie selber Geschenke finden, und zwar für Nichte und Neffen, deren Geburtstage lediglich eine Woche auseinanderlagen. Und sie würde der kleinen Anastasia ganz gewiss keinen Puppenherd mitbringen.
Aber die vielen farbenfrohen Gefährte, Plüschtiere, Blechkarussells und Brummkreisel konnten ihr nicht das Unbehagen nehmen. Sie fühlte sich unwohl, weil sie die Mittagsstunde mit Einkäufen verbrachte, während gleichzeitig die Sorge um Friedrich in ihr nagte. Er war noch nicht zurückgekehrt, als sie am Morgen das Haus verlassen hatte; sie hoffte, dass ihm nichts zugestoßen war und er einfach nur wartete, bis es wieder dunkel wurde und er ungesehen das Rohr auf der Wiese verlassen konnte. Alexandra machte sich Vorwürfe, weil sie nicht hartnäckig genug versucht hatte, ihm dieses verrückte Unternehmen auszureden. Um nicht völlig von Befürchtungen und Schuldgefühlen zerfressen zu werden, war sie in der Mittagszeit nicht wie üblich zum Essen gegangen, sondern ins Kaufhaus. Sie hatte geglaubt, es würde sie ein wenig ablenken, aber diese Erwartung erfüllte sich nicht.
Ganz im Gegenteil, nun machte ihr noch eine weitere Sache zu schaffen: Wer war nur dieser Mann in hellem Anzug und Panamahut?
Er war ihr schon aufgefallen, als sie das Polizeipräsidium verlassen hatte. Kein Zweifel, er folgte ihr, hielt Abstand und ließ sie dennoch keine Sekunde aus den Augen. Es schien, als würde er auf eine günstige Gelegenheit warten, in Aktion zu treten – was immer er auch im Sinn haben mochte. Hatte man Friedrich vielleicht gefasst und zum Sprechen gezwungen, befand sie sich nun auch im Visier der Mörder? Oder gehörte er vielleicht zu Yvonne Conways Leuten? Führte die englische Spionin etwas im Schilde, wovon Alexandra nichts ahnte? Wie auch immer, dieser Fremde machte sie nervös.
Plötzlich gab der Mann die bis dahin gewahrte Distanz auf und kam auf sie zu. Alexandra wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Einfach fortgehen? Dann würde er ihr sicher weiter folgen. Nein, sie musste herausfinden, was er von ihr wollte. Er konnte ihr schließlich nichts antun, nicht hier zwischen all den Menschen. Nicht der Polizeipräsidentin. Oder doch?
Er trat an sie heran und lüftete den Hut. »Frau Alexandra Dühring? Bitte vergeben Sie mir, wenn ich Sie einfach so anspreche. Ich möchte Sie bitten, mir zu folgen … und nach Möglichkeit, ohne Aufsehen zu erregen.«
»Ich habe Sie noch nie gesehen, mein Herr. Warum sollte ich also mit Ihnen gehen? Unterlassen Sie diese Zudringlichkeiten, oder ich werde Sie in Arrest nehmen lassen«, entgegnete Alexandra abweisend.
»Verzeihen Sie, aber davon rate ich Ihnen ab. Friedrich Prieß befindet sich in unserer Obhut, und ich habe die Aufgabe, Sie zu ihm zu bringen.«
Alexandra zuckte zusammen.
Friedrich hatte es also nicht geschafft. Die Verbrecher hatten ihn gefasst, und nun wollten Sie ihrer auch noch habhaft werden. Sollte sie sich weigern? Zwingen konnte er sie zu nichts, wenigstens nicht in diesem Moment.
Doch, das können sie … sie haben Fritz. Sie sind zu allem fähig. Ich muss mitgehen, sonst bringen sie ihn um.
»Was haben Sie mit ihm gemacht? Und was haben Sie mit uns vor?«, fragte sie leise, aber mit unverhülltem Abscheu.
»Herrn Prieß ist nichts geschehen. Man möchte nur ein Gespräch mit Ihnen beiden führen, und zwar betreffs des Todes von Oberst Gustav Diebnitz. Danach, das versichere ich
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