Kaisertag (German Edition)
Hackenknallen. Das machte die Leute in den himmelblauen Uniformen für Prieß sympathisch.
Die meisten Besucher zog es unwiderstehlich zum Flugfeld, wo die verschiedenen Flugzeuge der Schule ausgestellt waren. Dort standen neben älteren Heinkel-Doppeldeckern einige der berühmten Fokker-Udet-Jagdmaschinen, von denen es hieß, sie wären bis zu 650 Stundenkilometern schnell; ihre tatsächliche Höchstgeschwindigkeit war ein streng gehütetes Geheimnis. Sogar einen der nagelneuen Junkers-XIIIb-Höhenjäger konnte man hier sehen, das einzige Flugzeug der Welt, das über eine leistungsfähige Druckkabine verfügte. Mit Maschinen dieses Typs sollten nach und nach die gigantischen Träger-Zeppeline bestückt werden, die schwebenden Gegenstücke zu den Flugzeugträgern der Kriegsmarine.
Prieß registrierte ein Detail im Verhalten der Menschen, das er bemerkenswert fand: Die jüngeren Besucher interessierten sich ungemein für die Flugzeuge und bestürmten die Piloten und Mechaniker mit allen möglichen Fragen, während die Angehörigen der älteren Generationen zum äußersten Rand des Flugfelds strömten. Denn dort lag, träge und alles überragend, die Kronprinzessin Sophie Viktoria . Unweit der großen Halle, die ihr Zuhause war, hatte sie an ihrem niedrigen Ankermast festgemacht. Die Gondel, in der sich die Kommandobrücke befand, schwebte gerade zwei Meter hoch über dem Rasen. Die zwei Treppen, die ins Innere des voluminösen Rumpfes führten, waren heruntergelassen; das Luftschiff stand zur Besichtigung offen, und viele nutzten diese Möglichkeit.
Eigentlich hatte Prieß sich geschworen, nie wieder ein Militärluftschiff zu betreten. Die Erfahrungen während seiner Offiziersausbildung hatten in ihm eine tief sitzende Abneigung gegen die Zeppeline mit dem Eisernen Kreuz hinterlassen. Damals war er gezwungen gewesen, mit dem Fallschirm aus einem Luftschiff abzuspringen. Er war in einem Baum gelandet, hatte sich üble Prellungen und Verstauchungen zugezogen und sich dann als Krönung des Ganzen auch noch auf den Kopf des Unteroffiziers, der die Bergungsmannschaft leitete, erbrochen. Danach hatte man entschieden, dass der Fahnenjunker Prieß als nicht lufttransportfähig einzustufen sei.
»Willst du da wirklich rein?«, fragte er Alexandra besorgt, wobei sich von seiner Nasenspitze her schon eine Andeutung von Blässe auf seinem Gesicht auszubreiten begann.
Sie blickte ihn amüsiert an. »Immer noch die Erinnerung an deinen ersten und einzigen Absprung? Na, ich will dich ja nicht foltern. Aber von Nahem möchte ich mir das Luftschiff schon ansehen.«
So majestätisch die Kronprinzessin auch wirkte, wenn sie am Himmel entlangglitt, aus der Nähe betrachtet wurde ihr Alter augenfällig. Der silberne Lack, mit dem die Stoffbespannung des Rumpfes überzogen war, schillerte in den unterschiedlichsten Tönen und verriet, dass die Hülle schon häufig repariert worden war. Überhaupt hatten die modernen Luftkreuzer keine Stoffhülle mehr, ihre Leichtmetallskelette waren mit hauchdünnem Duraluminium verkleidet. Und so eindrucksvoll die Kronprinzessin mit ihren 280 Metern Länge auch scheinen mochte, neben den neuesten Zeppelinen, die bis zu 360 Meter maßen und auch im Durchmesser entsprechend größer waren, hätte sie sich winzig ausgenommen.
Alexandra und Friedrich standen nun direkt unterhalb eines der Bombenschächte, und dem Detektiv drängte sich ein bizarrer Gedanke auf, den er einfach nicht abschütteln konnte: Er fragte sich, wie viele Luftballons man wohl mit dem synthetischen Helium aus den Gaszellen der Kronprinzessin Sophie Viktoria füllen könne.
Plötzlich trat ein Mann im Hellblau der Luftflotte und mit den Schulterstücken eines Hauptmanns heran und meinte lächelnd: »Ja, unsere alte Sophie ist schon eine stattliche Erscheinung, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen«, antwortete Alexandra Dühring. »Erst aus dieser Nähe werden die Ausmaße wirklich deutlich. Man vergisst, wie erstaunlich so eine Konstruktion ist, wenn man sie beinahe täglich sieht. Ich kenne die Kronprinzessin übrigens schon seit mehr als zwanzig Jahren.«
»Tja, die Jüngste ist sie leider nicht mehr. Baujahr 1956, eines der letzten Schiffe der Rheingau-Klasse. Die vergangenen zweiundzwanzig Jahre hat sie nur noch als Schulschiff gedient, und jetzt ist auch das vorbei. Im Juli kommt ihre Nachfolgerin, danach wird sie ausgemustert und abgewrackt. Sie darf nicht einmal mehr an der Parade beim Kaiserbesuch teilnehmen, weil
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