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Kaktus zum Valentinstag

Kaktus zum Valentinstag

Titel: Kaktus zum Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Schmidt
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koronagesäumte »schwarze Sonne« den Himmel.
    Wir werden von einer totalen Sonnenfinsternis beschienen. Meine einjährige Ramona läuft mit einem ängstlich fiependen »Mama« zur Mau. Und mein vierjähriger Raphael verzweifelt zunächst an der eingetretenen Nullsicht durch seine Sofi-Brille, die er nun getrost für zwei Minuten absetzen kann.
    Welch ein Moment im Leben! Ein Moment, der in Echtzeit nur wenige Minuten dauert, der aber zum prägenden Erlebnis für das gesamte Leben wird. Ein Moment, der bleibende Eiweißverbindungen in allen Hirnen meiner Familie ablegen wird, bevor die Sonne später doch noch hinter einem massiven H 2 O-molekularen Angriff verschwindet. Ein H 2 O-molekular Angriff, das ist Regen. Den nenne ich so, seitdem ich weiß, dass Wasser aus H 2 O besteht, weil es diese vielen einzelnen Teile sind, die immer wieder meine Pläne durchkreuzen, draußen etwas bei schönem Wetter machen zu können, und damit mein Wohlbefinden bedrohen.
    Weihnachten 1999 verbringen wir in Nauheim. Es ist das erste Weihnachtsfest, das für mich nicht bei oder in der Nähe der eigenen Papamamas, der Omaopas, stattfindet. Es ist seltsam, dass die Papamamas das erste Mal nicht unseren Weihnachtsbaum sehen. Damit die RaRas ihre Omaopas und die Omaopas die RaRas auch mal sehen können, verbringen wir den Silvestertag des Jahres 1999 als Familie bei den Omaopas in Gadenstedt.
    Und noch etwas ist unüblich. Der Opa hat seit langer Zeit mal wieder Silvesterraketen gekauft. So begrüßen wir mit viel Feuerwerk das neue Jahr, in dem erstmalig eine zwei vorne steht. Das hat durchaus Konsequenzen. Denn rund um diese Zahlenwende gibt es mehrere interessante Dinge, die ich im Blick habe:
    So war der 19.11.1999, ein graufarbener Primzahlentag, weil 19 und 11 unteilbar sind, der letzte Tag dieses Jahrtausends, an dem alle am Datum beteiligten Ziffern ungerade sind. Erst am 1.1.3111 wird dies wieder so sein! Und der kommende 2.2.2000 wird der erste Tag seit dem Mittelalter, genauer seit dem 8.8.888 sein, bei dem alle am Datum beteiligten Ziffern gerade sind!
    Im neuen Jahr finde ich einen Zettel als Geburtstagsgeschenk von der Mau: In einem roten Herz steht in roter Schrift »Für Peter«. Und da drunter in violetter Schrift »eine Geburtstagsüberraschung«. Der Zettel ist gefaltet, so falte ich ins Innere, wo ich in grüner Schrift lese »… steht im EISSCHRANK im obersten Fach …«
    Neugierig zehenspitze ich mich zum Eisschrank, öffne die Tür und hebe die Klappe des Faches hoch. Mein Blick fällt auf eine schneeartige Torte. »Die hat es aber schon lange nicht mehr gegeben!« Eine Eistorte zum Geburtstag. Welch eiskalte Überraschung! Sie schmeckt immer nach Stracciatella, einer meiner Lieblingseissorten.
    Die Eistorte ist der ideale Kompromiss, den wenigen Gästen aus der Verwandtschaft zum Geburtstagskaffee sowohl eine Torte als auch mir Eis anzubieten. Sie ist aus meiner Sicht eine Erfindung meines Gnubbelchens, auch wenn die Mau nur ein bereits veröffentlichtes Rezept abgewandelt hat! Etwas, das alle glücklich macht.

Kein Anschluss unter dieser Nummer!
    In der Firma ist man anscheinend weiterhin begeistert von meinen fachlichen Leistungen. Im Berufsleben kommt es jedoch mit zunehmender Verantwortung immer weniger auf die Sache und immer mehr auf die Menschen an sich an. Und um mich auch als Mensch weiterzuentwickeln, erhalte ich immer mal wieder die Möglichkeit, an Seminaren teilzunehmen, in denen die Kommunikation trainiert wird.
    Kundenorientiertes Verhalten, Konfliktmanagement, Rhetorik und Moderation, das alles habe ich bereits mitgemacht. Und da lernte ich stets komische Dinge. Zum Beispiel, dass angeblich mindestens achtzig Prozent der Kommunikation wie bei einem Eisberg unterhalb der Wasseroberfläche auf einer »Beziehungsebene« stattfinden würden. Und dass man maximal zwanzig Prozent sehen könne. Und dass man immer redet, auch dann, wenn man nicht redet, dass man, so wörtlich, »nicht nichtkommunizieren könne«. Dass Themen, Ziele und Inhalte, all das, was mich auszeichnen kann, nur maximal ein Fünftel der Kommunikationsleistung am Arbeitsplatz darstellen. Dass dagegen solche Dinge wie Emotionen, Einstellungen und Wertungen den alles entscheidenden »Löwenanteil« der Kommunikation ausmachen sollen. Wenn das so sein sollte, warum hat mir das dann die Schule nicht beigebracht? Oder spätestens die Uni?
    Woran erkennt man solche Dinge wie »Beziehungsebene«? Bis heute konnte mir da niemand helfen.

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