Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)
das aus einem Schützengraben hätte stammen können. Das Fenster ging nach Osten hinaus, aber die gleißende Sonne am nächsten Morgen konnte ihn nicht von seinem harten Lager hochscheuchen. Er hatte Brieftasche und Uhr neben den Wecker auf die als Nachttisch dienende Apfelsinenkiste gelegt, sich bis auf die Unterhose ausgezogen und sich dann ins Bett fallen lassen, wo er schweißgebadet schlief.
Das Zimmer war kaum größer als ein Wandschrank, ein zusammengezimmertes Quadrat. Die Hütte heizte sich bereits auf. Wände und Dach aus Blech wirkten in der Sonne wie ein Ofen. Das große Fenster hatte kein Fliegengitter und ging nach Ostenauf die Straße hinaus. Ein Mehlsack als Vorhang bog die dünne Stange am Kiefernholzrahmen durch. Der verschwitzte Jack in seiner Unterhose schlief einen unruhigen Schlaf und war tief in einen mondsüchtigen Traum gesunken.
Aber dann erschütterte so etwas wie Gabriels Horn die dünnen Blechwände.
»Herrgott!«
Vor Schreck purzelte er aus dem Bett.
Ein weiterer Trompetenstoß erschütterte die Hütte.
»Verdammt und zugenäht!«
Er taumelte zum Fenster und sah auf der Straße draußen einen gewaltigen Elefantenbullen. Einen afrikanischen Koloss. Das Ungetüm hob den Rüssel wieder zum Trompetenstoß an; und Jack hätte schwören können, dass seine Haare zurückgeweht wurden.
»Raus aus den Federn, mein Junge!«
Tommy Speck, kaum kniehoch, führte ein Tier so groß wie ein kleines Haus die Straße entlang.
»Was zum Teufel …?« Jack griff nach seiner Uhr.
»Du hast noch eine halbe Stunde, wenn du Frühstück willst, Buster Brown«, informierte ihn Tommy lauthals. »Danach kannst du dir nur noch den Schweiß von den Eiern lecken.«
Jack zog seine Hose von der Reise und ein sauberes Unterhemd an und schlurfte hinüber zum Kaleidoscope. Innerlich wappnete er sich schon mal für weitere Überraschungen in dem Schaustellercafé. Was er auch zu sehen bekam, er bläute sich ein, dass er keine Reaktion zeigen durfte. Er brauchte Informationen von diesen Leuten, und die kriegte er nicht, wenn er sich wie ein grober Klotz aufführte.
Als Jack die Kantine betrat, fiel ihm sofort Half Track auf, wie sie auf einem Rampensystem umherrollte, mit dessen Hilfe sie Theke und Grill erreichte. Der Anblick eines normal aussehenden Manns mit Kaffee und Zigarette in der Nachbarnische war beruhigend, nur der Zweck der Schubkarre, die er dabeihatte, war nicht auf Anhieb zu erkennen. Und dann sah Jack, wie hinter der Theke eine Schnauze, umgeben von einer struppigen Mähne, hervorkam.
»Morgen, Jo Jo.«
Als Antwort kam ein leises Knurren, der Kopf verschwand wieder hinter der Theke; und erst als er das Kritzekratz von Pfoten auf dem Holzboden hörte, bemerkte Jack seinen Irrtum.
»Ganz ruhig, Junge.« Er schreckte zurück, als die fünfzig Kilo Promenadenmischung auf ihn zukamen.
»Aus, Boomer«, befahl Half Track; und der Hund ließ sich zu Boden plumpsen.
»Tut mir leid«, sagte Jack, als er sich auf einen Hocker setzte.
»Verdammter Bauer«, sagte sie kopfschüttelnd.
»Haben Sie was gegen Bauern, Half Track?«
Half Track schob ihm eine Tasse Kaffee hin.
»Ein Bauer ist ein Trottel, eine einheimische Laus, Abschaum. Jeder, der kein Schausteller ist. Ein Opfer, ein mieser Kunde, schnell verdientes Geld. Und auf jeden Fall einer, der nicht dazugehört.«
»Solange das geklärt ist.« Jack hob den brühend heißen Kaffee an den Mund. »Also was gibt’s zum Frühstück?«
»Nur Barzahlung.«
»Ich habe Geld.«
»Im Voraus, keine Schaustellerkonditionen für dich.«
Jack drückte einen Vierteldollar ab.
»Alles wird mit Maisgrütze serviert.« Sie hievte sich hoch an einen gewaltigen Grill. »Also bloß nicht jammern.«
Dann wandte sie sich ihrem anderen Kunden zu.
»Freddie, Kaffee?«
»Nein, ich bin so ziemlich fertig.«
Der Mann nahm einen letzten Schluck Java und drückte seine Zigarette aus. Jack zeigte ihm sein schönstes Filmstarlächeln.
»Haben Sie die Arbeit für diese Saison auch hinter sich?«
Der Mann sah ihn frostig an. »Erstens bin ich kein Arbeiter und jeder Schausteller weiß das. Und zweitens, wenn ich mich unterhalten will, sage ich Bescheid.«
Darauf schob sich der Kerl aus der Sitznische und offenbarte den Grund für seine Schubkarre.
»Was glotzt du so, Schwachkopf?«, knurrte Freddie, als er in die Hocke ging, um seine Last hochzuhieven.
Was Freddie in die Schublade lud, war sein eigner Hodensack. Jack musste einfach hinsehen, als der schlanke Mann
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