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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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Haar zu einer verwegenen Tolle, als er seinen Schwager Meisenkötter hereintrampeln hörte.
    »Mein Gott, mein Gott!«, hörte er ihn rufen. »Mein Gott, Tilde – das ist furchtbar, das ist entsetzlich! Sie haben sie gerade gefunden! Hinter dem Schützenhof! Tabletten und Alkohol, eine ganze Flasche Wodka …!«
    »Wen? Mona …?«
    »Mein Gott, wie verzweifelt muss das Mädchen gewesen sein. Ist Oliver noch nicht zurück?«
    Oliver Fritsche musste sich am Waschbecken abstützen. Ihm wurde übel. Er schloss die Augen und als er sie wieder öffnete, starrte er in sein aschfahles Spiegelbild.
    Fritsche deutete vor dem offenen Grab auf dem kleinen Friedhof Mark eine Verbeugung an. Er schwitzte in seiner knapp sitzenden schwarzen Lederhose. Seine Schuhe drückten.
    Er musste den Eltern die Hand reichen, seinen Nachbarn.
    Er musste ihnen sein Beileid aussprechen. Der schon seit Jahren depressiven Mutter, dem herrischen Vater.
    Fritsche fand keine passenden Worte. Er murmelte etwas in sich hinein.
    Spatzen auf der Friedhofsmauer kennen keine tiefe Trauer.
    »Ihr kommt doch noch mit in die Alte Mark? «, fragte Monas Vater.
    Es klang wie ein Befehl. Es war ein Befehl.
    Tilde kuschte. Sie nickte heftig.
    Fritsche verachtete sie wieder einmal. »Tut mir leid, Heiner«, sagte er zu dem mit durchgedrücktem Kreuz dastehenden Preuß. »Ich muss noch ins Rathaus. Der Auftrag, du weißt. Diese Präsentation für das Stadtjubiläum im Februar. Ich hab nur noch ein paar Wochen …«
    »Nur auf ein Glas – in Gedenken an Mona.« Die Mutter begann augenblicklich wieder zu schluchzen. Und auch seine Tilde tupfte mit einem Tempotuch an ihren Augen herum.
    Fritsche spürte, dass sich eine Hand schwer auf seine Schulter legte.
    »Selbstverständlich gehen wir mit«, sagte sein Schwager. Meisenkötter verstärkte den Druck, seufzte. »Ich will es immer noch nicht wahrhaben. Mir ist, als ob Mona erst gestern noch bei uns reingeschaut hat …«
    »Ja, ja«, sagte Fritsche jetzt schnell.
    »Ich muss dir ja nicht sagen, wie wichtig du ihr warst«, sagte Preuß.
    Fritsche glaubte, in seinen Augen ein verächtliches, ein böses Funkeln zu bemerken. Diese Drecksau!
    Fritsche dachte an Mona. Er dachte schon seit Tagen an sie. Immer und immer wieder. Und im Moment dachte er daran, was sie ihm bei einem ihren ›zufälligen‹ Treffen im Wellnessbereich des Maximare unter Tränen gebeichtet hatte.
    »Entschuldige, Ines!«, sagte Fritsche. »Aber diese Beerdigung sitzt mir noch immer in den Knochen.« Er schwang sich aus dem niedrigen Bett mit der zu weichen Matratze und stieg in seine Unterhose.
    Die Archäologin richtete sich auf. »Kein Problem. Das kann jedem mal passieren.« Sie stopfte sich beide Kissen in den Rücken und griff nach ihren Zigaretten. Nach dem ersten Zug sah sie zur Decke des schäbigen Hotelzimmers hoch.
    »Vielleicht bin ich dir aber auch zu fordernd«, sagte sie. »Die meisten Männer kommen damit nicht klar.«
    »Das klingt, als ob du schon jede Menge gehabt hättest.«
    »Die Uni ist groß«, scherzte sie.
    »Ines – bitte, das ist nicht witzig. Herrgott noch mal, ich fühl mich mies.«
    »Zimmerservice gibt’s hier wohl nicht.« Sie schnippte die Asche in die Coladose auf dem Nachttisch. Die Cola war während der langwierigen Bemühungen um leidenschaftlichen Sex schal geworden.
    Fritsche wurde laut. »Nein, das ist nun mal nicht das Mercure! Keine vier Sterne oder sonst was! Was glaubst du, warum?!«
    »Ach, Oli«, unterbrach Ines ihn.
    »Weil man mich da kennt!«, schrie er. »Das käme meinen Neidern gerade recht, um mich bei der Stadt auszubooten.«
    »Du musst nicht gleich aggressiv werden.«
    Fritsche machte nur noch eine wütende Geste. Er wandte sich ab.
    Während er sich vollständig ankleidete, sah er aus dem Fenster. Ein Kaftanträger schlurfte draußen vorbei, in beiden Händen prall gefüllte Einkaufstüten.
    Fritsche zog die Gardine ganz beiseite und öffnete das Eckfenster. Es wehte eisig kalt herein. Er lehnte sich kurz hinaus und sah rüber zur Wilhelmstraße.
    Vor seinem inneren Auge zogen bunt gekleidete und abenteuerlich maskierte Frauen in Richtung Schützenhof, sie schwangen große Besen, pfiffen auf Trillerpfeifen, rasselten und trommelten.
    Weiberfastnacht! Weiberfastnacht!
    Es war ein ohrenbetäubender Lärm und inmitten der Menge wurde die wie auf einem Trampolin in die Höhe hüpfende Mona sichtbar – in ihrem hellblauen, eng anliegenden Trikot und der Schellenkappe, unter der ihre blonden

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