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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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    Fritsche blickte von seinem Material auf. Er glaubte, ein Bimmeln gehört zu haben.
    Er ging ans Fenster und sah raus auf die Straße. Im Schein der Laterne stand sein Nachbar, Monas Vater, stand Heiner Preuß.
    Der Mann schwankte. Sein Kopf kippte von einer Seite zur anderen. Preuß trug Monas Narrenkappe und die Glöckchen bimmelten und bimmelten und bimmelten.
    Monas Narrenkappe!
    »Herrgott noch mal!«, fluchte Fritsche mit flacher Stimme. Sein Nachbar war offenbar strunzbesoffen und völlig durchgeknallt.
    Auf Krawall gebürstet.
    Der Sugardaddy!
    Preuß sah zu ihm herüber. Er lachte, er lachte ein deutlich vernehmbares höhnisches Lachen. Und dann sang er. Er sang laut, er grölte: »Bimmel bimmel bam, bimmel bimmel bam – Fritsche kann! Bimmel bimmel bam, bimmel bimmel bam …!«
    Oben im Haus wurde ein Fenster aufgerissen und Fritsche hörte die sonore Stimme seines Schwagers. Zum ersten Mal seit Langem war er froh, einen Polizisten im Haus zu haben.
    »Fred hat sich um ihn gekümmert«, sagte Tilde, ohne von der Zeitung aufzublicken.
    Fritsche registrierte, dass sie weder Kaffee gekocht, geschweige denn frische Brötchen gekauft hatte. Er nahm einen Schluck Milch aus der Tüte.
    »Das hast du alles mitgekriegt?«
    »Vom ersten Moment an. Schon wie er im Stechschritt die Straße entlanggegangen ist.«
    »Peinlich«, sagte Fritsche. »Ausgesprochen peinlich. Wir leben hier im guten, alten Stadtteil Mark und nicht unter Prolls.«
    »Er hat nun mal schwer daran zu knapsen«, sagte seine Gattin. Sie faltete den Lokalteil zusammen und stemmte sich vom Küchentisch hoch. Fritsche vermutete, dass sie schon wieder einige Kilo mehr auf ihren ohnehin schon fetten Hüften hatte.
    »Woran zu knapsen? Dass er in bester Lage wohnt? Im schmucken Einfamilienhaus mit Carport und allem Pipapo. Ha, ha, ha, da kann ich doch nur lachen!«
    »An Monas Schicksal. Sie war doch schwanger.«
    Fritsche brauchte einen Moment.
    »Was, bitte? Schwanger?«
    Tilde hatte ihm den Rücken zugekehrt. Sie fummelte an der Spüle herum, drehte den Wasserhahn auf.
    »Ich rede mit dir!«, schrie Fritsche. »Mona schwanger? Wer sagt das? Von wem hast du das?« Er merkte, dass er die Kontrolle über sich verlor, aber ihm war nicht bewusst, was er dann noch herausschrie: »Das ist doch lächerlich! Das wüsste ich aber!«
    Fritsche checkte auf vorerst unbestimmte Zeit im Mercure ein. Tilde war ihm auf die Nerven gegangen und die Visage von Monas Vater musste er auch nicht haben.
    Er verneinte die Frage des Rezeptionisten, ob er für das Silvestermenü reservieren wolle, und begann, gleich nachdem er sich in dem Privilege-Zimmer mit Queen-Size-Bett einquartiert hatte, die Minibar zu leeren. Schon gut abgefüllt versuchte er, die immer noch wie Hornissen in seinem Hirn herumschwirrenden Gedanken an Mona, an ihre Schwangerschaft und an ihren möglicherweise daraus resultierenden Suizid in einer schäbigen Ecke hinter dem Schützenhof zumindest vorübergehend zu verscheuchen, indem er Ines telefonisch ein diesmal wirklich angenehmes Zusammensein in dem Vier-Sterne-Hotel zusicherte.
    Teufel auch, er war besoffen!
    Ines allerdings bedauerte relativ emotionslos, sein Angebot ausschlagen zu müssen, da sie bereits im 10.49-Uhr-IC nach Innsbruck sitze und bis zum 8. Januar im Skiurlaub sei. – Auch angeschlagen, Neustart wagen!
    Es war sein Schwager Fred, der ihn aufspürte und zur Rückkehr nach Hause veranlasste, pünktlich zu Silvester. Über Mona und die Nachbarn fiel kein einziges Wort.
    Der Jahreswechsel wurde nicht gefeiert. Fred musste zu verstärkten Fahrzeugkontrollen antreten, Tilde zog sich nach dem Verzehr mehrerer Bockwürste und einer mehr als üppigen Portion Kartoffelsalat in ihr separates Schlafzimmer zurück und Oliver blieb beim Zappen zwischen den TV-Sendern schließlich bei der deutschen Schlagernacht hängen und war von Andrea Berg, Die Gefühle haben Schweigepflicht , zu Tränen gerührt.
    Als Oliver Fritsche Anfang des Jahres seine rasante und mit Interviews, Stadtgeräuschen und Liveaufnahmen diverser Konzerte im Kurhaus lebendig gestaltete Diashow über Hamm im Wandel der Zeiten seinen Auftraggebern im Rathaus präsentiert hatte, konnte er nicht nur parteiübergreifende Anerkennung und Begeisterung verbuchen, sondern vor allem die zweite Rate des fünfstelligen Honorars.
    Beschwingt schlenderte er danach durch die Stadt und traf vor dem Heinrich-von-Kleist-Forum überraschend auf seinen Nachbarn Heiner Preuß. Beide waren

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