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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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die Wawerka mir eingepflanzt hatte. Nicht einmal dem roten Jakubik konnte ich mich diesmal anvertrauen. Was hätte ich ihm erzählen sollen?
    Wawerka machte jeden Tag klar, wie ernst er seine Drohung meinte, ließ mich ansonsten aber in Ruhe.
    Ich wusste nicht ein noch aus. So ungefähr musste Jakubik sich gefühlt haben, als er vor der Entscheidung stand, sich den eigenen Arm abzuhacken.
    Es war schon Gründonnerstag, als ich nach Tagen quälenden Grübelns endlich den rettenden Gedanken hatte: Der Arm, den ich abhacken musste, um freizukommen, das war gar nicht Jakubik. Es war Wawerka! Ihn musste ich loswerden!
    Kaum hatte ich das erkannt, reifte in mir schon ein Plan.
    Am selben Tag noch konnte ich ein Stück Zündschnur ergattern, als ich an der Sprengkammer vorbeikam. Ließ einen kleinen Kanister aus der Benzolfabrik hinterm Pumpenhaus mitgehen. Besorgte eine Holzkiste aus Wawerkas Keller und ließ den leeren Benzolkanister bei der Gelegenheit gleich dort unter der Kellertreppe. In dem großen Mietshaus in der neuen Kolonie, wo Wawerka in einer Dachkammer wohnte, achtete kein Mensch auf mich.
    Auch am Abend des Osterfeuers lief alles nach Plan, ich begegnete niemandem, auch nicht auf dem Rückweg zum Bahndamm, nachdem ich die Zigarettenpackung, die letzte, die Wawerka mir in die Hand gedrückt hatte, direkt vor Jakubiks Büdchen hatte fallen lassen. Alle im Pütt wussten, welche Marke Wawerka rauchte. Und was er von Jakubik hielt.
    Ich stiefelte schon die Wiese hoch und konnte Onkel Günter und die anderen am Feuer bereits erkennen, da hörte ich das leise »Wuff« in meinem Rücken. Niemand beachtete es, am Osterfeuer redeten alle munter weiter – nur ich wusste, was es zu bedeuten hatte: Die benzolgetränkten Lumpen in der Kiste waren in Flammen aufgegangen. Ich fühlte mich leicht wie seit Wochen nicht mehr und stellte mich zu Onkel Günter.
    Es dauerte noch mehr als zehn Minuten, ehe die Ersten den hellen Lichtschein in der Kolonie bemerkten. Und dann heulten auch schon die Sirenen der Werksfeuerwehr.
    Ich gab mich genauso überrascht wie alle anderen.
    Als wir die Kolonie erreichten, brannte die Trinkhalle bereits lichterloh. Die Feuerwehr tat ihr Bestes, doch war nichts mehr zu retten. Die Leute gafften und glotzten. Ich achtete nur auf die grüne Zigarettenpackung, bis sie ein Feuerwehrmann endlich entdeckte und einsteckte. Beweismittel Nummer eins.
    Als sie das Feuer endlich unter Kontrolle hatten, waren von Jakubiks Büdchen nur noch verkohlte Balken übrig, schwärzer als die Kohle unter Tage. Trotz allem tat es mir weh, die rauchenden Trümmer zu sehen. Das Büdchen war eine Heimat für so viele gewesen, aber was hätte ich tun sollen? Jakubik würde mithilfe der Versicherung schon wieder auf die Beine kommen. Und ich würde ihm helfen beim Aufbau, in jeder freien Minute mit anpacken, und kein Wawerka würde mich daran hindern.
    Plötzlich ging ein Raunen durch die Menge der Schaulustigen. Zwei Feuerwehrmänner trugen eine krumme, verbogene, verkohlte Gestalt aus den Trümmern, etwas, das einmal ein Mensch gewesen war. Nicht mehr zu erkennen, aber der fehlende linke Unterarm sagte allen, die hier standen, wessen Leiche man da gefunden hatte.
    Die Beine wollten mir wegsacken, ich musste mich festhalten an der Schulter von Onkel Günter, dessen Schrei plötzlich die Nacht zerriss.
    Der Ostermorgen bricht an und wir sitzen immer noch in Onkel Günters Stube, die ganze Familie, und versuchen, ihn zu trösten. Er kann es nicht fassen, seinen besten Kumpel verloren zu haben.
    Und auch ich kann es nicht fassen. Was zum Teufel hatte Jakubik mitten in der Nacht in seinem Büdchen zu suchen?
    Ich halte Onkel Günters Hand und hänge meinen Gedanken nach. Was habe ich getan?
    Wawerka wird zufrieden sein.
    Es klopft an der Tür. Pisulski, Onkel Günters Nachbar, und ein paar andere aus der Kolonie.
    »Es war Brandstiftung«, erzählt Pisulski und ich nicke, als sei das eine Neuigkeit. »Die Polente hat ein paar Sachen gefunden, die verdächtigen den Wawerka. Haben einen leeren Benzolkanister in seinem Haus entdeckt.«
    Onkel Günter erwacht aus seiner Lethargie. Seine Augen funkeln.
    »Wawerka, die braune Ratte!«
    Er steht auf und will zur Tür hinaus, Pisulski hält ihn fest.
    »Wo willze hin, Günter?«
    »Wohin wohl? Es diesem Scheiß-Nazi zeigen!«
    Doch Pisulski lässt ihn nicht durch die Tür.
    »Bleib hier, Günter«, sagt er, »brauchse nich mehr. Der liebe Gott war schneller.«
    Onkel Günter bleibt

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