Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
stehen.
»Wie?«
»Wawerka hat seine Strafe.«
»Wie meinze dat?
»Als die Bullen kamen, hatter nich aufgemacht. Mussten die Tür eintreten.«
»Und?«
»Wawerka lag tot in seinem Bett.«
»Tot?«, frage ich und kann es nicht glauben. »Wawerka ist tot? Wieso?«
»Einfach so verreckt. Woll im Schlaf. Schwaches Herz oder so wat.« Pisulski zuckt die Achseln. »So kanns gehen.«
Onkel Günter kommt zurück in die Stube und weiß nicht, wohin mit seiner Wut; ich stehe da wie eingefroren und kann mich nicht rühren.
Der liebe Gott war schneller.
Nicht schnell genug.
Drüben an der Provinzialstraße läuten die Glocken zur Ostermesse.
Tag der Arbeit
Der 1. Mai ist in Deutschland und Österreich als ›Tag der Arbeit‹ gesetzlicher Feiertag. Der ›Kampftag der Arbeiterbewegung‹ erinnert an die Generalstreiks, mit denen die Arbeiterbewegungen in den USA und Australien Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ihre Forderung nach dem Achtstundentag durchzusetzen versuchten. Im Brauchtum ist der 1. Mai in vielen Gegenden Anlass zum Aufstellen eines Maibaums im Zusammenhang mit einem Dorf- oder Stadtfest. Auf dem Land gilt auch der Brauch, dass zum 1. Mai die jungen Männer bei unverheirateten Frauen eine Birke als Zeichen ihrer Gunst aufstellen – sie ›setzen einen Maibaum‹. Womöglich hat die Liebe, von der Nina George und Joe Bausch in ihrer Story erzählen, einmal so begonnen. Zufall, dass sie ihr mörderisches Ende dann auch an einem 1. Mai findet? Doch lesen Sie selbst …
Joe Bausch und Nina George
Später Frühling in Bönen
19. April
Wenn ich ihn so ansehe, frage ich mich, warum die Evolution sich diesen Ausfall geleistet hat. In der Nase mehr Haare als auf dem Kopf. Ein Körper wie ein Salino. Und wie er riecht – nach Katzenfutter und nassem Hund. Wie er feucht atmet. Wie er frisst! Stopft sich die Roulade rein, die Soße patscht ihm übers Kinn. Kaut! Dieses Kauen ist das Schlimmste. Die Geräusche. Die junge Middendorf hinterm Tresen tut zum Glück so, als würd se nix merken. Er stopft weiter. Essmanieren wie ein Schwein. Wobei – das ist eine Beleidigung für die Schweine. Wenn die Ferkelchen in seiner Schweinezucht mit Messer und Gabel essen könnten, dann würden sie es tun. Und dabei vor allem nicht so ekelhaft … kauen.
»Schmeckt’s dir, Liebling?«
»Nicht so gut wie bei dir, mein Schatz.«
Was die blöde Ziege mich wieder anstarrt. Gut so, dann verlangt sie wenigstens nicht, dass ich heut Nacht noch nett zu ihr bin. Am besten, ich mach den Mund noch etwas weiter auf und schieb noch ’ne Gabel von dem Rotkraut nach, so was hasst sie. Ihr dürrer Zitronenmund wird gleich noch schmaler.
Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich sie zuletzt küssen wollte. Vermutlich bevor ich sie geheiratet hab, vor … sind das schon zweiundzwanzig Jahre? Auf der Maifeier hab ich sie damals gesehn, sie trug nix unterm Kleid, das hat sie mir noch gezeigt, als ich ihr die Birke in den Garten gestellt habe. Ella, das scharfe Steigertöchterchen, gewohnt, dass alle um sie herumtanzen, um ihrem Alten zu gefallen.
Ich lass jetzt mal ordentlich einen fahren, damit sie endlich woanders hinguckt.
Bingo.
»Ausgerechnet Schweine-Lothar, den willste?!« Hätt’ ich mal auf meinen Vater gehört und den Simmering-Sohn mit seinem Gasthof oder einen von den feschen Italienern genommen! Hübsch gealtert sind die, wie ein guter Tisch. Gepflegt. Keine Sachen mit anderen Frauen und wenn, dann nicht in Bönen, sondern in Rimini. Aber sicher nicht im Stall, wie er. Mit den Gummistiefeln an. Und dem albernen Hut auf.
›Wellness für Männer‹ nennt er seine Techteleien und rechnet mir vor: Wenn er zweimal im Jahr für je zwanzig Minuten fremdgeht, ist er auf die restliche Zeit gerechnet zu 99,99 Prozent treu. So sicher wären nicht mal die Kotelettpreise.
Ach, mit dem Simmering … da wäre alles anders gewesen, nicht immer Schweine und Hof und Hund und Schwarzwald und im Doppelbett nach der Sportschau Augen zu und durch. Und ich hätt nicht immer so kalte Hände von dem Blut, wenn die Schweine abgemurkst werden. Blut und kalte Hände und fünf Minuten an was Schönes denken nach der Bundesliga.
Nicht mal ein Kind hat er mir gemacht, der Lothar. Die blaue Bubenbadewanne aus meiner Aussteuer – in der haben wir dann das Grillfleisch mariniert, für die Maikundgebung von der Gewerkschaft in der Fußgängerzone. Damit hat er sich bei denen eingeschleimt, damit die nicht hingeguckt haben, wenn er wieder mal
Weitere Kostenlose Bücher