Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
ein Betrieb wie auf diesen Altarbildern.«
Wir gehen weiter. Das Hotel steht in einer Reihe mit dem Theater und einem weiteren Veranstaltungssaal. Ich habe noch nie so ein Hotel betreten, aber Petra regelt an der Rezeption alles für uns. Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach oben und sie flüstert mir ins Ohr: »Ich hab uns als Ehepaar eingetragen.«
Im Zimmer gehe ich ans Fenster und blicke auf Kleingärten hinab, dahinter fließt die Lippe. Die Aussicht beruhigt mich. Petra öffnet meinen Koffer. Aus der oberen Schale fallen meine Gartenwerkzeuge.
»Gut«, sagt sie und lacht und weint wieder. Ich knie mich zu ihren Füßen, aber sie zieht mich hoch und küsst mich. Dann erzählt sie, dass es hinter dem Stadtteil Alstedde ein altes Munitionsgelände gibt. Abgesperrt, weil da immer noch Granaten und Bomben liegen. Sie kenne sich aus, da könne man die Leiche einfach ablegen.
»Und wenn wir da auf eine Mine treten?« Ich nehme meinen kleinen Spaten aus dem Koffer und klappe ihn auf. »Außerdem«, sage ich, »bin ich Gärtner. Er wird vergraben. Auch aus einem bösen Menschen kann ein schöner Baum wachsen.«
Petra laufen wieder die Tränen über die Wangen und sie lacht zugleich. Sie setzt sich aufs Bett und ich hocke mich erneut zu ihren Füßen. Einer ihrer Senkel hat sich verknotet, ich bekomme ihn nicht auf. Ihr Handy klingelt. Sie sagt ein paar Mal »Ja«.
Gerade ist es mir gelungen, den ersten Knoten am linken Schuh zu öffnen, da muss sie schon wieder gehen.
»Ich komme ja wieder.« Sie küsst mich auf die Wange und weg ist sie. Wie damals vor über zwanzig Jahren.
Nach kurzer Zeit ist sie zurück und hat das Auto mitgebracht. Es geht aus der Stadt heraus, die Gegend wird ländlich. Felder leuchten in der Oktobersonne. Sie fährt mich zum Horstmarer See. »Einfach versenken«, sagt sie. Wir parken zwischen dem Datteln-Hamm-Kanal und dem See.
»Ein Badesee, der geht zu flach rein«, sage ich.
»Und im Kanal?«
Ich schüttle den Kopf. »Du brauchst Stricke und Gewichte, damit er unten bleibt.«
Wir fahren zu einem Friedhof nach Brambauer. Ich finde ein frisches Grab. Es ist schon bepflanzt worden. »Einfach noch mit rein«, schlage ich vor.
»Und die Pflanzen?«
»Ich bin Gärtner!«
Petra erzählt von einem Kanufahrer, der am Lippe-Wehr verunglückte und ertrank. Hat sie in der Zeitung gelesen. »Ich erinnere mich gut daran, weil der auch Walter hieß und wir damals ein Kanu hatten. Er ist nie wieder aufgetaucht. Da gibt es so einen Wirbel, der hält einen Toten für immer unter Wasser fest.«
Auf dem Weg nach Lippholthausen hält Petra am Colani-Ufo. Ein rundes Kunststoffei auf dem Förderturm einer ehemaligen Zeche.
»Wie findest du das?«
»Ungeeignet.«
»Ist eine Sehenswürdigkeit. Man kommt auch gar nicht rein.«
»Und darunter, in dem Bergwerk?«
»Da kommt man auch nicht rein.«
Auch an das Wehr kommt man mit dem Auto nicht ran. Wir steigen aus, gehen zu Fuß ans Ufer.
»Wie schwer ist Walter?«
»Achtzig Kilo. Warum?«
»Dann muss er auf eigenen Füßen hierherlaufen. Ich schaffe es nicht, ihn zu tragen.«
»Ohne Blut vielleicht nur noch fünfundsiebzig Kilo.«
»Immer noch zu viel.«
»Wir schneiden ihm die Arme und Beine mit der Astschere ab.« Petra schluchzt und lacht wieder zugleich. Ich lege meinen Arm um sie und wir schauen in das aufgewühlte Wasser. Petra holt tief Luft und beruhigt sich wieder.
»Bei uns im Keller steht eine Sackkarre«, sagt sie.
Die Wirbel im Wasser und der Schaum sehen aus wie Schrift.
Nein , lese ich daraus.
»Auf der anderen Seite gibt es eine Straße, die kurz vor dem Wehr fast bis an die Lippe heranführt«, sagt Petra.
Wir gehen zum Auto zurück. »Und wie wäre es mit einem Klärwerk?«, fragt Petra. »Da ist eins, nicht weit vom Hotel.«
»Wie stellst du dir das vor?«
»In kleinen Stücken.«
»Das ist doch eine riesige Sauerei.«
»Hauptsache weg.«
Wir fahren wieder zurück in die Stadtmitte. Vom Parkplatz aus biegen wir in die Einkaufsstraße ein. Ich betrachte eine alte Uhr mit Persil – Werbung. »Wann machen wir es?«
»Heute Nacht.« Sie zeigt mit dem Daumen auf die Uhr. »Die ist kaputt.«
Auf der anderen Seite eine kleine Bullenherde aus Bronze. »Eigentlich kann man hier ganz gut leben«, sagt Petra.
»Darum geht es gerade nicht.« Ich denke an meine kleine Sichel. Ich werde sie benutzen müssen. »Kriegen wir es hin, alles mit Plastik auszulegen?«
»Wozu?«
»Wegen dem Blut.«
Sie antwortet nicht, führt mich in
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