Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)
stellvertretend für jeden Mann, der sie je gedemütigt und misshandelt hatte, zu rächen. An ihrer rechten Hand spürte sie das vertraute, liebgewonnene Gewicht des gepanzerten Krallenhandschuhs, dem sie ihren Namen zu verdanken hatte. Der Name, der schon die ganze Zeit die Grundfesten der Arena zum Erzittern brachte. Ihr Name war Kali Darad!
Der Handschuh, dessen Name übersetzt so viel bedeutet wie Schreckensklaue, war ein sündhaft teures Meisterwerk aus den Schmieden der Darak Hul. Ein gepanzerter Handschuh, der statt Fingern anderthalb Spann lange, messerscharfen Klingen besaß, die über bewegliche Scharniere fest mit dem Rest des Handschuhs verbunden waren. Beim Anlegen wurden Kali Darads Finger mit den gestutzten Krallen in die innen hohlen Klingen geschoben, damit sie diese nach Belieben bewegen konnte. Leicht, jedoch härter als Stahl; nahezu unzerstörbar. Eine fürchterliche und grausame Waffe in den Händen einer fürchterlichen und grausamen Frau.
Versonnen spielte sie mit den langen, in den Scharnieren leise singenden Klingen, die nach Sommern des Kampfes noch keine Kerbe aufwiesen, und sah fasziniert dabei zu, wie das Sonnenlicht auf ihnen blitzte. Dabei glitten ihre Gedanken zurück zu den Anfängen ihrer blutgetränkten Karriere.
Ihre Erinnerungen reichten gerade so weit zurück bis zu der Sonne, an der sie auf einem Markt von El Kadir gekauft worden war. Wie lange genau diese Sonne her war, wusste sie nicht zu sagen. Ungezählte Sonnen waren seither vergangen, und hatten im Laufe der Zeit die trostlose Monotonie eines nie enden wollenden Kreislaufs aus Gedemütigt werden, Kämpfen, Fressen, Angekettet werden und Schlafen mit sich gebracht, die jegliches Zeitgefühl in ihr erstickt hatte.
Alles vor dieser Sonne lag in einer zähen, undurchdringlichen Dunkelheit, die nichts, aber auch gar nichts preisgab. Doch eben an jene Sonne erinnerte sie sich noch nur zu gut. An die unzähligen Hände, die sie überall betatscht hatten und an die lüsternen Blicke der Männer, die sich einen Spaß daraus gemacht hatten sie zu necken, wobei sie sich der Gewissheit nur zu sehr bewusst waren, dass sie – gefesselt und geknebelt wie sie war – ihnen nichts hatte anhaben können.
Unmittelbar nach dem Kauf hatte El Kadir sie in die Arena bringen lassen. Und diesen Ort hatte sie seither nicht mehr verlassen. Ihre ganze Welt bestand seit jener Sonne nur noch aus dem Bestiengehege und den Platz Arena, wo El Kadir sie jede dritte bis jede zweite Sonne kämpfen ließ. Ihre Gegner waren Verurteilte, die ihr Glück im Tribunal der Götter versuchten, wilde Tiere und kampferprobte Gladiatoren. Dabei hatte sie an sich ein geradezu begnadetes kämpferisches Geschick entdeckt, dessen Wurzeln irgendwo tief in dem großen schwarzen Sumpf ihrer Erinnerung versunken liegen mussten.
Die ersten Kämpfe hatte ihr das Publikum nur leidenschaftslos zugesehen und lediglich pflichtbewusst geklatscht, wenn sie als Sieger den Platz verlassen hatte. Aber dann, mit der Zeit, war das Klatschen lauter geworden und es kamen die ersten »Bravo«-Rufe hinzu. Zwar nur vereinzelt und einsam, wie die Rufe eines Ertrinkenden in einem Meer, das teilnahmslos abwartete, bis ihm endlich die Kraft ausging und er den Weg des Unvermeidlichen ging, doch sie waren da. Und sie bildeten eine neue, interessante Würze in der Tristesse ihres trostlosen Alltags. Und mit jedem weiteren Kampf wurden es mehr. Aus den vereinzelten Bewunderern wurde eine ganze Reihe; aus der Reihe ein ganzer Rang, der damit begann, in Chören den Namen Kali Darad zu skandieren. Und jetzt, viele Sommer später, johlte und grölte die ganze Arena ihren Namen und verfluchte jeden, der sich ihr entgegenstellte - ganz gleich, wie beliebt er vorher gewesen sein mochte. Allein diese Beliebtheit beim Publikum hatte die Wucht eines sich aufbauenden Tsunami, der jedem Gegner den Kampfeswillen zu nehmen vermochte, bevor überhaupt der erste Tropfen Blut vergossen wurde.
Ja, sie hatte es wahrlich weit gebracht. Sie war sogar die einzige, nichtmenschliche Kreatur der Arena, die ihren eigenen Heiler hatte. Nicht irgendeinen dahergelaufenen Kräuterpanscher, nein. Sie hatte einen Heiler, welcher der weißen Magie mächtig war! Selbst die meisten Gladiatoren konnten von einem derartigen Luxus nur träumen. Trotzdem gab es da etwas, was sie nicht zur Ruhe kommen ließ...
»Was, im Namen der Kalten, treibt sie da?«, fragte Melarc – auch bekannt als Todbart - und machte eine
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