Kalifornische Sinfonie
Leben besser und vorteilhafter ausgesehen zu haben.
Die Pferde waren ausgezeichnete Reittiere. Oliver gab ihr eine besonders schöne Stute mit einem Sattel aus kunstvoll gepreßtem Leder, das in der Sonne wie Seide glänzte. Als sie aufstieg und ihren Platz in der Kolonne einnahm, wurden ihr von Charles’ Dienerschaft bewundernde Blicke zugeworfen. Die anderen Händler, die sämtlich herausgekommen waren, sie abreiten zu sehen, winkten ihr fröhlich zu und riefen: »Gute Reise, Mrs. Hale!« Garnet winkte zurück und lächelte: »Nächstes Jahr im April sehen wir uns wieder. Dann reiten wir wieder zusammen.« Bei dem Gedanken, so lange Zeit in der Nähe von Charles leben zu müssen, kam sie ein heimliches Zittern an. Aber das war ihre Sache, die niemand etwas anging. Charles machte einen äußerlich prächtigen und, wie Garnet fand, dabei gleichzeitig albernen und lächerlichen Eindruck. Auf seinem großen Hengst wirkte er noch kleiner und zusammengeschrumpfter als sonst. Sein Gesicht erinnerte sie an einen vertrockneten Apfel; die kleinen Augen funkelten wie dunkle Stecknadelköpfe. Er war in eine rotseidene Jacke und bestickte Hosen gekleidet, sein Sattel war mit Silber beschlagen. Auch Oliver war prächtig gekleidet. Er trug senffarbene Beinkleider mit grünen und roten Stickereien an den Seiten. Seine mexikanische Jacke war aus blauer Atlasseide; die glänzenden Knöpfe daran waren alte Goldmünzen aus Peru. Dazu trug er ein weiches weißes Hemd und eine weißseidene Schärpe mit goldenen Fransen. An seinen Stiefeln glänzten sternförmige Sporen; sein schwarzer Sombrero war mit blauen Seidentroddeln verziert. Die aus ein paar Dutzend Pack-und Sattelpferden bestehende Kolonne wurde von zehn Dienern begleitet, die nicht weniger farbenprächtig gekleidet waren. Zu den verschiedenfarbenen Pantalons trugen sie bunte Hemden und Halstücher in leuchtenden Streifenmustern. Es war ein prächtiger Zug, ein Gewoge von Silber und Farben; schlagende Hufe und flatternde Mähnen, eine schier königliche Prozession. Niemand, der uns sieht, käme auf den Gedanken, hinter all dieser Pracht eine Anhäufung bitterer und bedrohlicher Gefühle zu vermuten, dachte Garnet.
Sie reisten in aller Bequemlichkeit, die ein Ritt überhaupt zu bieten vermag. Die Pferde waren kräftig, frisch und gut ausgeruht, und die Diener behandelten Garnet wie eine Prinzessin. Sie sahen das Fremdartige ihrer Erscheinung, aber sie akzeptierten in ihr ohne weiteres die große Dame der Ranch. Wenn eine Rastpause eingelegt wurde, breiteten sie Decken für sie aus, brachten ihr Wasser und Wein und versäumten nie, sich ehrfurchtsvoll zu verbeugen, wenn sie einen Krug vor ihr niederstellten. Sie bereiteten vorzügliche Mahlzeiten, bestehend aus Braten, der mit chilenischem Pfeffer gewürzt war, Maisspeisen und schmackhaften Bohnengerichten; dazu wurde Schokolade gereicht, mit Panocha gewürzt, dem landesüblichen braunen Zucker, der zwischen den Zähnen knirschte. Sie servierten die Speisen und Getränke mit zurückhaltend höflichem Lächeln und einer Ehrerbietung, die einer Königin gegenüber am Platze gewesen wäre.
Der Weg führte durch wildes und rauhes Land, das von Canyons durchschnitten und von Gebirgen umringt war, die wie dunkler Samt aussahen, zerknüllt und zu Bergen getürmt. Mittags rasteten sie an Bächen und Flußläufen, deren Ufer von Weidegras oder wildem Tabakgesträuch begrenzt wurden. Hier und da stand auch eine alte Eiche, die sich schon vor Jahrhunderten mit ihrem Wurzelwerk in das Erdreich gebohrt haben mochte. Vor einem Monat würde Garnet die samtenen Hügel mit beglückten Augen gesehen und sich an all dem Luxus und der Bequemlichkeit erfreut haben; jetzt war sie nicht in der Stimmung, sich an irgendwelchen Dingen zu freuen.
Charles haßte sie. Jedesmal, wenn seine Augen sie streiften, wurde ihr das schaudernd bewußt. Er haßte sie wegen ihrer Gesundheit, ihrer Ausdauer und wegen ihrer stolzen und unnahbaren Haltung; er haßte sie schon allein ihrer bloßen Anwesenheit wegen. Er sprach nur sehr selten mit ihr, und wenn er es tat, geschah es in einer so eiskalt reservierten Art, daß es fast einer Beleidigung gleichkam.
Nun, sie war nicht übermäßig an Charles Hale und seinem Benehmen interessiert. Charles allein war nicht imstande, sie zu kränken oder zu beleidigen. Was sie von Tag zu Tag tiefer kränkte, das war Olivers Benehmen Charles und ihr gegenüber. Er würde es zwar selbst für zehntausend Häute nicht eingestanden
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