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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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prunkte geradezu vor Reichtum und Selbstgefälligkeit. Jeder Morgen Landes verkündete eindringlich, wie sehr der Besitzer die hierzulande übliche Art der Bewirtschaftung verachtete. Beim ersten Blick auf so viel Reichtum, Ordnung und Pedanterie verspürte Garnet einen Druck auf den Magen. Aber gleich danach kam sie ein heimliches Lachen an, angesichts all dieses verkörperten Dünkels vor der majestätisch aufragenden Kulisse der Berge. Sie hatte das Gefühl, in ihrem ganzen Leben nicht so viel bornierte Dummheit erblickt zu haben.
    O Oliver! dachte sie erbittert, wie ist es nur möglich! Wieso kannst du es nicht fertigbringen, diesem wichtigtuerischen kleinen Despoten zu widersprechen? Und dann wieder, während ihr Blick ins Tal hinunterschweifte: Was, in Gottes Namen, erwartet dich hier? Woher kommt dir das heimliche Grauen?
    Sie wußte es nicht. Sie ritten bergab auf die Ranch zu. Diener kamen heraus, ihnen die Pferde abzunehmen. Charles sprach mit ihnen, kalt und unnahbar, ganz verkörperte Autorität. Er sagte ihnen, die Señora sei die Gattin Don Oliveros, sie sollten dafür sorgen, daß sie bequem untergebracht werde. Die Diener schienen überrascht, benahmen sich aber höflich, respektvoll und ehrerbietig. Charles erklärte Garnet, er habe für sie und Oliver ein Schlaf-und ein Wohnzimmer zum persönlichen Gebrauch herrichten lassen. Er sagte das in einem Ton, als spräche er zu einer armen Verwandten, deren er sich wohl oder übel annehmen müsse.
    Das Leben auf der Ranch verlief in genau geregelten Bahnen, wie nach einer Tabelle. Auf einem Wandbrett im Eßzimmer befand sich eine große amerikanische Uhr, die in einem mißmutig monotonen Singsang die Stunden anschlug. Wenn Garnet noch einen Beweis für Charles’ Tyrannenkünste gebraucht hätte – diese Uhr hätte den Beweis geliefert. Charles hatte es fertiggebracht, aus einer Schar freier Mexikaner leisetretende Sklaven zu machen, die die Uhr auf dem Wandbrett wie einen Götzen anbeteten und jeden Schritt und jede Bewegung nach dem Lauf der Zeiger ausrichteten. Charles’ gesamte Dienerschaft lebte in ständiger Angst vor ihrem Herrn. Sie schlichen samt und sonders scheu und gedrückt herum, und als Garnet sich diesem und jenem freundschaftlich näherte, zeigte sich, daß sie auch vor ihr Angst hatten.
    Um sieben Uhr morgens wurde gefrühstückt, um zwölf gab es Mittagessen. Nach Tisch durfte man Schlafengehen. Charles selbst freilich verachtete diese Angewohnheit; er erblickte darin nur eine der zahllosen Äußerungen landesüblicher Faulheit, allerdings vermochte nicht einmal er die Mexikaner dazu zu bringen, am Nachmittag zu arbeiten. Das Abendessen wurde um sechs serviert.
    Nach dem Frühstück pflegten Charles und Oliver über die Ranch zu reiten; dann war Garnet sich selbst überlassen und konnte tun, was sie wollte. Sie machte Spaziergänge, besserte ihre Kleider aus und fand im Eßzimmer auch einige Bücher zum Lesen. Die Bücher waren sehr augenfällig auf einem Wandbrett geordnet; Garnet vermutete, sie ständen dort, um Besucher zu beeindrucken, was in diesem bücherlosen Lande nicht schwierig war. Sie stellte fest, daß die Seiten der meisten Bücher noch zusammenklebten; augenscheinlich waren sie noch nie geöffnet worden. Sie fand drei Bücher in spanischer und etwa ein Dutzend in englischer Sprache. Sehr wahrscheinlich hatten sie einmal dazu gedient, Lücken in den Mauleselpacken auszufüllen. Es handelte sich um Essays vergessener Moralisten, ein paar alte Romane und Gedichtbände mit zerfetzten Seiten. Sie las darin, weil sie nichts Besseres zu tun hatte.
    Ihre Zimmer waren sehr sauber und trostlos nüchtern. Sie hatten unpersönliche, steife Wandvorhänge und harte, unbequeme Stühle. Oliver warf einen Stapel Hauptbücher und sonstiger Papiere auf den Tisch des Wohnzimmers und erklärte, die Sachen später durchsehen zu wollen, wenn er etwas von John gehört hätte. Die Papiere lagen in einem großen unordentlichen Haufen wirr durcheinander. Garnet erfreute sich daran, denn das ganze Haus war bis zum letzten Winkel so peinlich sauber und ordentlich, als sei es für eine Beerdigung zurechtgemacht worden.

Garnet bekam Charles außerhalb der Mahlzeiten kaum zu Gesicht. Zuweilen erschien er abends für kurze Zeit in ihrem Wohnzimmer, um mit Oliver geschäftliche Fragen zu besprechen. Mit Oliver war er ständig zusammen. Sobald sie vormittags von ihrem gemeinsamen Ausritt zurückkamen, gingen sie in eines der Zimmer, die Garnet nie

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