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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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es war völlig stillos und hätte an jedem Ende des Kontinents stillos gewirkt. Es war das unangenehmste Haus, in dem sie sich je aufgehalten hatte, es war –
    Das Haus wankte plötzlich und machte einen Sprung, als hätte es jemand angestoßen. Die Fensterläden rasselten, der Tisch veranstaltete einen kleinen Tanz; ein großes Kontobuch und ein Haufen Papiere fielen zu Boden. Die Wände zitterten, und das Zimmer schien sich nach einer Seite zu neigen. Garnets Stuhl sprang hoch und warf sie seitwärts zu Boden. Sie fiel, stieß einen Entsetzensschrei aus und fing sich im Fallen mit der Hand.
    All das geschah plötzlich und im Ablauf weniger Sekunden. Garnet war so erschrocken, daß sie im ersten Augenblick völlig fassungslos war. Dann fühlte sie mehr, als sie sah, daß Oliver neben ihr kniete und einen Arm um sie geschlungen hatte.
    »Garnet«, rief er, »hast du dich verletzt?«
    Garnet sah zu ihm auf. Es schwamm ihr noch vor den Augen, aber ihre Haut war kalt vor Angst und Bestürzung. Die Wände schienen wieder fest wie immer zu stehen, aber die Papiere lagen noch verstreut auf dem Fußboden, und die Wandvorhänge bewegten sich im von draußen hereinkommenden Wind. Die Lampe war umgefallen. Charles richtete sie eben wieder auf und nahm sein Taschentuch, um einen Ölfleck vom Tisch zu wischen. Garnet hörte ihn ärgerlich sagen, daß der Lampenschirm gesprungen sei. Draußen wieherten die Pferde. Oliver sagte:
    »Es ist weiter nichts, Garnet. Du brauchst keine Angst mehr zu haben.« Er half ihr, auf die Füße zu kommen.
    »Aber was war es?« keuchte Garnet, noch immer zitternd. »Das ganze Haus schien zu wanken.«
    »Du brauchst dich nicht im geringsten zu beunruhigen«, sagte Oliver. »Es war ein Erdstoß.«
    »Ein Erdstoß?« rief Garnet entsetzt. Sie erinnerte sich, von Erdbeben gelesen zu haben: Häuser stürzten zusammen, Menschen wurden erschlagen und liefen halb irrsinnig umher, gemartert von der Angst vor einem jähen Tode. »Aber was machen wir? Wohin gehen wir?« rief sie.
    Und sah, halb erstaunt, halb erzürnt, daß Oliver über sie lachte. Charles, der an der Wand lehnte, betrachtete sie mit der resignierten Ungeduld eines Mannes, der durch ein unvernünftiges Balg in seinen Geschäften gestört wurde.
    »Wir werden nirgendwo hingehen«, lachte Oliver; er schien leicht amüsiert, ganz so, als müsse er ein Kind beruhigen, das sich vor der Dunkelheit fürchtet. »Wir werden auch nichts tun. Es ist nicht mehr gefährlich. Kleine Erdstöße kommen hier immer wieder vor. Du wirst dich daran gewöhnen.«
    Garnet sah von Oliver zu Charles und wieder zurück auf Oliver. Sie war noch zu bestürzt, um etwas sagen zu können. Oliver fuhr fort: »Es geschieht nur sehr selten, daß solch ein Erdstoß ernsthaften Schaden anrichtet.«
    »Ja, um Himmels willen, Garnet«, sagte Charles offensichtlich gereizt, »es ist Ihnen ja nichts geschehen.«
    Oliver hielt Garnet noch mit dem Arm umschlungen. »Laß sie doch, Charles«, sagte er, »du warst auch erschrocken, als du dein erstes Erdbeben hier erlebtest. – Hier, Garnet, das wird deine Nerven beruhigen.«
    Er ergriff eine Weinflasche, die zwar umgefallen, aber gut verstöpselt gewesen war, und füllte einen Becher.
    Garnet nahm den Becher und holte erst einmal tief Luft. Sie hatte das Gefühl, in Tränen ausbrechen zu müssen, aber sie erinnerte sich verzweifelt daran, daß sie das nicht durfte; sie durfte vor Charles kein Schwäche zeigen.
    »Es tut mir leid, daß ich eine kleine Aufregung verursachte«, sagte sie ruhig, »aber ich habe noch nie ein Erdbeben erlebt, und ich war erschrocken, als es mich plötzlich zu Boden warf. Das nächste Mal werde ich mich besser benehmen.«
    »Natürlich wirst du das«, sagte Oliver, »du fühlst dich nun wieder wohl?«
    »Ja«, versetzte Garnet, »ich fühle mich wieder wohl.« Sie war im Begriff, sich wieder hinzusetzen, als ihr Blick auf die Papiere fiel, die noch immer verstreut auf dem Fußboden lagen. »Prüft nur weiter eure Aufstellungen«, sagte sie, »ich werde das derweil aufheben und wieder auf den Tisch legen.«
    »Sehr schön«, sagte Oliver. Er machte noch ein paar beruhigende Phrasen und ging dann zusammen mit Charles wieder an seine Beschäftigung. Schon nach wenigen Minuten waren sie wieder in ihr Gespräch vertieft, als ob gar nichts geschehen wäre.
    Die Pferde draußen lärmten immer noch, daneben vernahm Garnet die Stimmen der Männer, die sie zu beruhigen suchten. Sie dachte erbittert: Die Diener

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