Kalifornische Sinfonie
lagen im Dunkel, aber als sie um das Herrenhaus bogen, sahen sie aus zwei Fenstern Licht fallen. John erklärte Florinda, daß die erleuchteten Fenster zu den Zimmern von Charles und Garnet gehörten.
Florinda interessierte sich nicht im geringsten für Charles Hale. »Sie muß noch leben, John«, sagte sie, »sonst wäre in ihrem Zimmer kein Licht. Lassen Sie uns eilen.«
John half ihr vom Pferd und erteilte Pablo den Befehl, das Gepäck hereinzubringen. Sie betraten das Haus, und John öffnete die Tür zu Garnets Zimmer.
Der Raum wurde durch eine auf der Wandbank stehende Lampe schwach erleuchtet. Eine Frau, die neben dem Bett auf dem Fußboden hockte, sah überrascht auf. John winkte ihr zu. »Cómo está la Señora, Lolita?« flüsterte er.
Die Frau schüttelte offensichtlich bedrückt den Kopf. John befahl ihr, Florindas Packen zu holen und in Garnets Wohnzimmer nebenan bringen zu lassen. Während sie das Zimmer verließ, wandte er sich Florinda zu.
Florinda hatte Hut, Schal und Handschuhe auf den Tisch gelegt und war dabei, den Gürtel mit dem Pistolenhalfter abzuschnallen. Sie sah aufmerksam zum Bett hinüber. Garnet lag bis zum Hals zugedeckt flach auf dem Rücken; ihr blasses Gesicht wurde von zwei unordentlich geflochtenen schwarzen Zöpfen umrahmt. In dem düsteren Licht erschienen ihre Züge hart und scharf. Die Lippen waren rissig und trocken, die Gesichtshaut schälte sich und sah aus wie altes Papier. Sie schlief offenbar nicht, doch waren ihre Augen halb geschlossen. Sie schien bis zur halben Bewußtlosigkeit erschöpft.
Florinda kniete sich neben dem Bett nieder. Garnet regte sich ein wenig, ein Zittern durchlief ihren Körper, sie öffnete träge die Augen. Florinda beugte sich dicht über sie. »Garnet«, flüsterte sie, »ich bin es, Florinda.«
Garnet machte einen schwachen Versuch, sich ihr ganz zuzuwenden. Florinda sagte:
»John hat mich geholt. Wir bleiben jetzt bei Ihnen. Wir bleiben so lange, bis Sie wieder ganz gesund sind.«
Garnet stieß einen leisen Seufzer aus. Sie versuchte zu sprechen, aber die geschwollene Zunge widerstand ihren Bemühungen; es kam nur ein undeutliches Lispeln: »Florinda – Sie – o Florinda –; die Stimme brach ab.
»Warten Sie, ich werde es Ihnen bequem machen«, sagte Florinda. »Sie müssen ruhig schlafen. Sie können auch ganz ohne Sorge sein. Ich bleibe bei Ihnen.«
Garnet tastete unsicher mit der Hand. Sie fühlte Florindas Haar und streichelte es sacht. »Bringen Sie mir Wasser, John«, sagte Florinda, über die Schulter sprechend, »und ein Tuch, bitte.«
Garnet murmelte: »Ich kann nicht – kann kein Wasser trinken – überhaupt nicht – kommt alles zurück.«
»Sie brauchen nicht zu trinken, Darling. Aber Ihre Stirn ist heiß. Warten Sie, ich kühle Ihnen das ganze Gesicht.«
John goß Wasser in die auf dem Waschständer stehende Schüssel und legte ein Handtuch bereit. Florinda rollte die Ärmel ihres Kleides hoch. Das Lampenlicht ließ ihre narbigen Arme scharf hervortreten.
»Ich brauche einen Stuhl, John«, sagte sie.
John brachte ihr einen Stuhl. Florinda tauchte das Tuch ins Wasser und wrang es aus. Dann fuhr sie damit ganz sacht über Garnets Stirn. John stand hinter ihr, als warte er auf weitere Anweisungen.
Während des gemeinsamen Rittes zur Ranch hatte er Gelegenheit gehabt, Florindas Haltung zu bewundern. Dieses Mädchen hatte eine Menge Charakterzüge, die ihm Respekt abnötigten. Fast das Bemerkenswerteste schien ihm, daß sie nicht schwätzte. Sie war stundenlang neben ihm hergeritten und hatte den Mund nur ganz selten zu einer Frage geöffnet. Außerdem pflegte sie sich der besseren Einsicht zu fügen. Sie hatte zu größter Eile gedrängt, aber als er ihr klarmachte, daß man ein bestimmtes Tempo nicht überschreiten könne und gewisse Ruhepausen unter allen Umständen einlegen müsse, hatte sie sich widerspruchslos gefügt. John hatte die Erfahrung gemacht, daß Menschen, die Verstand genug haben, Befehle entgegenzunehmen und auszuführen, in der Regel auch geeignet sind, selbst Befehle zu erteilen. Aus dieser Einsicht war er jetzt im Krankenzimmer ohne weiteres bereit, sich Florindas Anordnungen zu unterwerfen. Er sah aufmerksam zu, wie sie Garnets Stirn mit dem feuchten Tuch kühlte. Das Geschäft nahm ziemlich lange Zeit in Anspruch. Schließlich stand sie auf und trat zu ihm.
»Sie ist eingeschlafen«, flüsterte sie. »Es ist ein guter, natürlicher Schlaf. Bitte, bringen Sie mir etwas frisches Wasser, John,
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