Kalix - Die Werwölfin von London
geöffnet waren und das Fallgatter hochgezogen wurde, schritt sie ohne zu zögern über die Zugbrücke auf die feindlichen Truppen zu. Aus dem pechschwarzen Himmel fiel sanfter Schnee, und es zischte, wenn die Schneeflocken auf die brennenden Fackeln in den Händen von Verasas Begleitern trafen. Baron MacGregor kam ihnen entgegen. Hinter ihm gingen der junge Baron MacAllister und seine Schwester Morag, an ihrer Seite war Euan, der Sohn von Baron MacPhee. Ihre Diener folgten ihnen.
Die Herrin der Werwölfe grüßte ihre Feinde mit einem höflichen Nicken. Baron MacGregor, der älteste anwesende Baron, zögerte, weil er eine Unterredung für angebracht hielt, aber angesichts von Verasas gleichmütigem Auftreten nicht wusste, was er sagen sollte. Sie waren hier, um einen Kampf zu beobachten, nicht, um zu verhandeln.
»Ist Wallace bereit?«, fragte Verasa.
»Das ist er. Ist Markus bereit?«
»Ja, das ist er.«
An Baron MacGregors Miene konnte Verasa ablesen, dass er genauso ungern mit ansah, wie Wallace sein Leben riskierte, wie sie Markus in solcher Gefahr sah. Aber nun war es zu spät, es gab kein Zurück. Wallace löste sich aus dem Gefolge seines Vaters; er überragte sie alle. Gleichzeitig verließ Markus mit raschen Schritten die Burg, um seinen Platz an Verasas Seite einzunehmen.
Verasa gab ihrer Assistentin Erenx ein Zeichen, die daraufhin mit einem Tablett mit vier Kelchen und einer Kristallkaraffe vortrat. Erenx schenkte aus der Karaffe Whisky in alle vier Kelche ein und gab sie der Herrin der Werwölfe, Baron MacGregor, Markus MacRinnalch und Wallace MacGregor. Alle tranken in einem Schluck aus und stellten ihre Kelche zurück auf das Tablett. Nor 455
malerweise galt der MacRinnalch-Whisky als Symbol der Freundschaft, aber er konnte auch bedeuten, dass die Formalitäten abgeschlossen waren und es an der Zeit war zu kämpfen.
Verasa trat zurück. Die Barone zogen sich ebenfalls zurück, um Wallace und Markus Platz zu machen. Während die Kämpfer aufeinander zugingen, nahmen sie ihre Werwolfgestalt an. Im gleichen Moment verwandelte Verasa sich.
Ebenso die Barone und jeder Werwolf, der es konnte. Als Werwolf war Wallace ein Hüne. Seine Kiefer waren riesig, seine Zähne glichen zwei Reihen von Dolchen. Neben ihm sah Markus plötzlich sehr klein aus.
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Dominil merkte überrascht, dass sie den Zwillingen inständig Erfolg wünschte.
Das war nicht besonders rational. Immerhin war es für sie nicht wichtig, wie sie spielten. Ihre Aufgabe hatte darin bestanden, Musiker anzuheuern und ihnen einen Gig zu besorgen. Das war ihr gelungen, egal, was auf der Bühne geschah.
Ihr Mund zuckte beinahe unmerklich. Dominil lächelte leicht. Sie hätte nicht erwartet, dass ihr das Schicksal von zwei verlotterten Werwölfin-nen mit einer Band namens Yum Yum Sugary Snacks jemals etwas bedeuten könnte, aber nun stand sie hier und wünschte ihnen das Beste. Dominil hoffte immer noch, dass Sarapen kommen würde. Aber nicht, bevor die Zwillinge gespielt hatten.
Als Beauty und Delicious auf die Bühne stolperten, sah es nicht gut aus. Die jungen Werwölfinnen waren nervös. Die anderen Musiker bereiteten sich schnell vor, aber Beauty und Delicious hantierten ungeschickt mit ihren Gitarren und Mikrofonen herum. Dabei brauchten sie so lange, dass ein Teil des Publikums unruhig wurde. Delicious war mit der Stimmung ihrer Gitarre nicht zufrie
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den und ging an den Rand der Bühne, um sie zu überprüfen. Zwei junge Männer aus dem Publikum, die Delicious offenbar kannten, riefen ihr gutmütigen Spott zu. Er war nicht besonders böse gemeint, aber Dominil bemerkte, dass Beauty erstarrte, als sie ihn hörte. Delicious brauchte eine Ewigkeit, um ihre Gitarre am Rand nachzustimmen, und Beauty sah aus, als würde sie am liebsten zu ihr gehen. Aus dem Publikum kamen weitere höhnische Bemerkungen, die schon weniger freundlich klangen.
Dominil runzelte die Stirn. Bei diesem Tempo würden die Mädchen nie anfangen. Sie ging rasch zur Bühne, um Beauty zur Rede zu stellen. Ihre Schwester stand mittlerweile neben ihr, und das Publikum wurde unruhig. Es musste schnell etwas geschehen. Die Werwölfinnen versteckten sich hinter einem Lautsprecherturm vor dem Publikum. Dominil ließ ihr Gesicht flimmern, was der erste Schritt zur Verwandlung in ihre Wolfsgestalt war, und bleckte die Zähne.
»Geht raus und spielt«, fauchte sie.
Sofort gingen Beauty und Delicious zurück auf die Bühne. Dominil kam hinter den Lautsprechern
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