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Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit

Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit

Titel: Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit
Autoren: Laura Feuerland
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des Clans und befand sich im Heim der Heilerin. Diese große Ama wurde nur bei zwei Gelegenheiten von ihrem Platz geholt: wenn ein Clanmitglied starb oder wenn ein neues geboren wurde. Jeder Frau, die ein Kind zur Welt brachte, wurde beim Gebären die runde Holzgestalt in die Hand gelegt; ebenso jedem Sterbenden, der auf dem Weg zum Schwarzen Fluss war. So hatte   – bis auf ganz wenige Ausnahmen   – keiner vom Löwenclan die Sonnenwelt betreten oder verlassen, ohne den Schutz der großen Ama. Doch jetzt waren da zwei Frauen, die den Beistand der Erdmutter genau zur selben Zeit benötigten: Ixi, die ihr erstes Kind bekam, und Tavilana, die ihre letzten Atemzüge tat.
    »Loas, rasch! Wem soll ich sie geben   – Ixi oder Tavilana?«
    Loas schwieg und starrte zu Boden. Die Situation schien unlösbar. Weder durfte Ixis Kind ohne den Schutz der großen Ama die Sonnenwelt betreten noch durfte Tavilana ohne ebendiesen Schutz die Sonnenwelt verlassen.
    »Ixi und Tavilana sollen nebeneinander liegen«, antwortete Loas schließlich bedächtig. »Tavilana soll die große Ama mit ihrer Hand umschließen, und Ixi soll mit ihrer Hand Tavilanas Hand umschließen. So wird der Segen der großen Ama auf beide übergehen.«
    Alle atmeten erleichtert auf. Es war zwar unüblich, dass eine Gebärende neben einer Sterbenden lag, und im ersten Augenblick runzelte Blaga die Stirn. Doch begriff sie sofort, dass Loas’ Vorschlag die einzige Möglichkeit war, beiden Frauen den Beistand der Erdmutter zukommen zu lassen, und so nickte sie und verschwand.
    »Danke, Loas«, sagte Irinot. »Und nun zu Tomo.«
    »Wieso Tomo?«, widersprach Agal. »Ich finde, wir sollten weiter über den Speer hier sprechen!«
    Es war ungebührlich, dem Anführer ins Wort zu fallen, und die Männer sahen Agal erstaunt an. Seit er das Mammut erlegt hatte, hatte er sich verändert. Er war noch vorlauter als sonst und widersprach ständig Irinots Anweisungen. War ihm der Triumph zu Kopf gestiegen? Sie sahen zu Keril, an dessen Herdfeuer Agal aufgewachsen war, und warteten darauf, dass er Agal zurechtwies. Doch Keril schwieg.
    Irinot achtete nicht auf Agal, sondern wandte sich an Loas.
    »Du sagtest, du willst Tomo zu deinem Nachfolger machen?«
    »Tomo?«
    Die Männer waren überrascht.
    »Tomo soll Clanseher werden?«
    »Aber er ist keiner von uns!«, rief Agal entrüstet. »Blaga sagt, er stammt wahrscheinlich aus dem Fuchsclan.«
    »Seine Familie wurde vom Feuer gefressen, aber Tomo haben die Geister verschont«, nickte der bedächtige Laiko. »Und wir sind es, die ihn gefunden haben. Vielleicht ist das ein Zeichen, dass der Himmelsstier etwas Besonderes mit ihm vorhat.«
    »Mea hat Tomo aufgezogen gemäß unseren Clanregeln«, sagte Ferigal. »Der Junge ist ernsthaft und klug und hat sich niemals etwas zuschulden kommen lassen.«
    »Das bin ich auch!«, rief Agal. »Und außerdem habe ich noch das Mammut erlegt!«
    »Schweig«, wies Keril ihn endlich zurecht. »Im Übrigenwar es nur ein junges unerfahrenes Mammut.« Dann wandte er sich an Loas. »Was ist denn so Besonderes an Tomo, dass du ausgerechnet ihn zu deinem Nachfolger erwählen willst?«
    Wie meistens, schwieg Loas eine Weile, bevor er antwortete.
    »Ich habe lange gewartet mit meiner Entscheidung«, sagte er dann langsam. »Auch ich hatte Bedenken, weil Tomo nicht vom Clan des Torok stammt. Doch dieser Junge hat ein ungewöhnliches inneres Wissen über die Geister und über die Lichter am Himmel, wie ich es noch bei keinem gesehen habe. Und als ich ihn im vorigen Sommer erstmals mit in die Höhlen genommen habe, hat er sich so furchtlos und sicher bewegt, als wäre er dort zu Hause. Vermutlich, weil seine Schutztiere die Fledermaus und das weiße Wiesel sind. Ihr wisst, dass es höchst ungewöhnlich ist, dass ein Mensch zwei Schutztiere hat. Und dass es ausgerechnet diese beiden Tiere sind, sagt mir, dass ich Tomo zu meinem Nachfolger bestimmen soll.«
    Alle nickten.
    Das Heim der Fledermaus waren die dunklen Höhlen im Inneren der Erde. Auch das weiße Wiesel lebte in den Höhlen und kannte alle Wege, alle Nischen. Daher glaubte man, dass einer, der unter dem Schutz des Fledermausgeistes oder des Weißen-Wiesel-Geistes geboren war, Zugang zu den Geheimnissen des Lebens hatte, und dass er die Sprache der Geister verstand.
    »Deine Worte überzeugen mich«, nickte Irinot. Er war erleichtert, dass die Frage der Sehernachfolge endlich geklärt war, und wollte die Sache nun auch rasch zu Ende bringen.
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