Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
Ungezie-fer der Weißen Rose wird schonungslos zertreten werden.
    Sixtus,
    Edelmann und Chef der Roten Rose
    P.S. Punkt 12 Uhr in der Schloßruine.«
    Anders und Eva-Lotte grinsten zufrieden.
    »Komm, dann sausen wir und warnen Kalle«, sagte Anders.
    Er stopfte den Zettel in die Hosentasche. »Denk an meine Worte: Hier zieht es sich zusammen zu einer Nacht der Schrek-ken.«
    »Bei des Mondes Schein« schlief die kleine Stadt unbekümmert und tief. Von der »Nacht der Schrecken« ahnte sie nichts.
    Schutzmann Björk, der durch die menschenleeren Straßen schlenderte, ahnte auch nichts davon. Alles war still. Er hörte nur den Laut seiner eigenen Absätze auf dem Pflaster. Die Stadt schlief in einer Flut aus Mondschein; aber zwischen den schlafenden Häusern und den Gärten lag die dunkle Schwärze der Schatten, und wenn Schutzmann Björk etwas aufmerksamer gewesen wäre, hätte er merken müssen, daß in dieser Schwärze Leben war.
    Er hätte hören müssen, wie dort jemand schlich und sich vorbei-schlängelte und flüsterte. Er hätte sehen müssen, wie im Haus des Bäckermeisters Lisander vorsichtig ein Fenster geöffnet wurde und wie Eva-Lotte die Leiter hinunterkletterte. Er hätte an der Blomquistschen Ecke Kalle leise das Signal der Weißen Rosen pfeifen hören und den Schimmer von Anders sehen müssen, bevor er im schützenden Schatten der Fliederhecke verschwand.
    Schutzmann Björk war nur leider sehr müde und wünschte sich, daß sein Rundgang endlich ein Ende nehmen möge. Deshalb begriff er nicht, daß dies die Nacht der Schrecken war.
    Die armen, unwissenden Eltern der Weißen und Roten Rosen schliefen ruhig in ihren Betten. Keiner hatte sie nach ihrer Meinung über die nächtlichen Übungen ihrer Kinder gefragt.
    Nur Eva-Lotte hatte für alle Fälle einen Zettel geschrieben und auf ihr Kopfkissen gelegt. Sollte bei ihr zu Hause jemand auf den Einfall kommen, zu bemerken, daß sie verschwunden war, bitte, dort standen die beruhigenden Zeilen:
    »Hej, alle miteinander! Stellt Euch bloß jetzt nicht an. Ich bin draußen und kämpfe und komme bald zurück, glaube ich.
    Eva-Lotte«
    »Nur eine kleine Beruhigungspille«, erklärte sie Kalle und Anders, während sie den steilen Weg zur Schloßruine hinaufklet-terten.
    Eben schlug die Rathausuhr zwölf. Die Zeit war da.
    »Meiner Väter Burg …« sagte Kalle. »Was meint Sixtus damit? Soviel mir bekannt ist, hat hier noch nie ein Postdirektor gewohnt.« Vor ihnen lag im Mondlicht die Schloßruine und sah wirklich nicht besonders postalisch aus.
    »Die gewöhnliche Angabe der Roten. Ist dir doch klar?« sagte Anders. »Sie müssen Prügel haben. Diese Angabe, weil sie nun schon mal den Großmummrich gefunden haben!«
    In seinem Innern war Anders gar nicht so unzufrieden damit, daß die Roten schließlich das rechte Elsternnest gefunden und den Großmummrich zurückerobert hatten. Die Voraussetzung für den Krieg der Rosen war ja, daß das Kleinod dann und wann den Besitzer wechselte.
    Ziemlich atemlos nach dem ermüdenden Aufstieg standen die drei ein kleines Weilchen vor dem Eingang zur Ruine herum. Sie standen da und horchten auf die Stille und fanden, daß es drinnen unter den tiefen Gewölben recht düster und gefährlich aussah.
    Da hörten sie aus dem Dunkel eine Gespensterstimme, die rief: »Nun herrscht Kampf zwischen der Roten und der Weißen Rose, und tausend und aber tausend Seelen werden in den Tod gehen – hinein in die Nacht des Todes.«
    Darauf folgte ein entsetzlich grausiges Lachen, dessen Echo zwischen den Steinwänden hin und her geworfen wurde. Und dann Stille, eine furchtbare Stille, als sei der, der vorher gelacht hatte, selber von Entsetzen über etwas Unbekannt-Grausiges in der Dunkelheit gepackt worden.
    »Vorwärts zu Kampf und Sieg!« schrie Anders entschlossen und stürzte sich kopfüber in die Ruine. Kalle und Eva-Lotte folgten ihm.

    Unzählige Male waren sie tagsüber hier gewesen. Aber nie zuvor in der Nacht. Sie erinnerten sich gut, daß sie sogar schon einmal im Keller der Schloßruine von Verbrechern eingeschlossen gewesen waren. Das war damals gewesen; und doch schien es ihnen jetzt, daß es nicht so schaurig gewesen war wie heute, wo sie sich mitten in der Nacht durch eine völlig ungewisse Dunkelheit zwängten und wo überall in den Schatten etwas Unheimliches verborgen sein konnte. Nicht nur die Roten! Nein, bestimmt nicht nur die! Gab es nicht auch Geister und Gespenster, die vielleicht ihre gestörte Nachtruhe dadurch

Weitere Kostenlose Bücher