Kalle Blomquist
war, seufzte er tief auf vor innerer Zufriedenheit. Er bohrte seine Nase in Eva-Lottes Arm und fühlte, daß er jetzt schlafen wollte. Er würde Vati genau erzählen, wie schön es doch war, nachts in Hütten aus Tannenreisig zu schlafen. Es war jetzt dunkel. Kalle hatte die Taschenlampen ausgelöscht, aber Eva-Lotte war dicht bei ihm, und die freundlichen Sterne dort draußen blinkten sicher weiterhin am Himmel.
»Wie wäre es doch bequem in diesem Schlafsack, wenn du nicht hier liegen und drängeln würdest«, sagte Anders und gab Kalle einen Puff.
Kalle gab den Puff zurück. »Wie traurig, daß wir nicht daran gedacht haben, für dich ein Doppelbett mitzunehmen«, sagte er. »Aber trotzdem gute Nacht!«
Fünf Minuten später schliefen sie alle, tief und sorglos und ohne Angst vor dem kommenden Tag.
ZWÖLFTES KAPITEL
Bald würden sie hier fort sein. In einigen Minuten nur würden sie hier fort sein und diese Insel nie mehr sehen. Kalle wartete einen Augenblick, bevor er in das Boot sprang. Er blickte sich um. Das also war ihre Heimat während einiger unruhiger Tage und Nächte gewesen. Dort war ihre Badeklippe, sie sah so einladend aus im ersten Frühlicht. In der Mulde dort hinten lag die Hütte. Sehen konnte er sie von hier aus nicht, aber er wußte, daß sie dort lag und daß sie leer und verlassen war und ihnen niemals mehr ein Heim sein sollte.
»Kommst du irgendwann einmal?« sagte Eva-Lotte nervös.
»Ich möchte hier wegfahren. Das ist das einzige, was ich will.«
Sie saß auf dem Steuersitz, und Rasmus saß neben ihr. Schneller als jeder andere wollte sie von hier weg. Jede Sekunde war kostbar, das wußte sie. Sie konnte sich gut vorstellen, wie wütend Peters über ihre Flucht sein mußte und daß er das Letzte versuchen würde, sie wieder in seine Hände zu bekommen. Deshalb war Eile nötig, das wußten sie alle, Kalle auch. Mit einem Sprung war er im Boot, wo Anders schon fertig zum Rudern saß.
»Na also dann«, sagte Kalle. »Dann sind wir wohl klar.«
»Ja, wir sind klar«, sagte Anders und begann zu rudern. Aber schnell bremste er wieder ab und machte eine kummervolle Miene. »Es ist nur bloß … na ja, kurz und gut, ich habe meine Taschenlampe vergessen«, sagte er. »Ja, ja, ja, ich weiß, daß ich schlampig bin. Aber es genügen einige Sekunden, dann habe ich sie wieder.«
Er sprang bei der Badeklippe an Land und verschwand.
Sie warteten. Sehr unruhig zuerst. Und nach einem Weilchen außergewöhnlich unruhig. Nur Rasmus saß vollkommen ungerührt da und spielte mit den Fingern im Wasser.
»Wenn er nicht gleich kommt, schreie ich«, sagte Eva-Lotte.
»Sicher hat er ein Vogelnest oder so etwas gefunden«, sagte Kalle bitter. »Du, Rasmus, lauf und sag ihm, das Boot fährt ab!«
Gehorsam kletterte Rasmus aus dem Boot. Sie sahen, wie er mit kurzen kleinen Sprüngen den Felsen emporlief.
Sie warteten. Warteten und warteten und starrten ungeduldig auf den Felsbuckel, wo wohl bald die Verschwundenen auftauchen mußten. Es kam aber niemand. Der Felsen lag öde vor ihnen, als hätte noch nie ein menschlicher Fuß ihn betreten. Ein morgenfrischer Barsch stand dicht am Boot, und es raschelte leise im Schilf am Ufer. Sonst war alles still. Unheilverkündend still, fanden sie plötzlich.
»Um des lieben Friedens willen, was machen die beiden nur?«
fuhr Kalle unruhig auf. »Ich glaube, ich muß hin und nachsehen.«
»Dann gehen wir beide«, sagte Eva-Lotte. »Ich traue mich nicht, hier allein zu sitzen und zu warten.«
Kalle machte das Boot fest, und sie sprangen an Land. Liefen den Felsen hinauf, wie Anders es getan hatte. Und wie Rasmus es getan hatte. Dort lag die Hütte in der Mulde. Kein Mensch war zu sehen, keine Stimme zu hören. Nur diese unheimliche Stille …
»Wenn das einer der üblichen Scherze von Anders ist«, sagte Kalle und kroch in die Hütte, »dann schlage ich ihn kurz und …«
Mehr sagte Kalle nicht. Eva-Lotte, zwei Schritte hinter ihm, hörte nur einen halb erstickten Ruf, und sie schrie wild und verzweifelt: »Was ist los, Kalle, was ist los?«
Im selben Augenblick fühlte sie eine harte Hand im Genick und hörte eine wohlbekannte Stimme im Ohr:
»Satansbalg, nun hast du wohl fertig gebadet, was?«
Es war Nicke, puterrot im Gesicht vor Wut. Und aus der Hütte kamen Blom und Svanberg. Drei Gefangene brachten sie mit, und Eva-Lottes Augen füllten sich mit Tränen, als sie sie sah. Das war das Ende. Alles war jetzt vorbei. Alles war vergebens gewesen. Jetzt
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