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Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Stille klang plötzlich das Geräusch eines Automotors, der irgendwo in der Nähe angelas-sen wurde. Das setzte Kalle in Erstaunen; denn Autos waren eine Seltenheit auf dem Rackerberg. Wäre der Meisterdetektiv nur nicht so mit dem Krieg der Rosen beschäftigt gewesen und hätte er nicht den Schwarm von Roten Rosen an den Fersen gehabt, so hätte er sicherlich versucht, einen Schimmer von dem Auto zu erwischen. Denn das hatte er seinem erdachten Zuhörer oft genug eingeschärft: »Man kann nicht aufmerksam genug sein, wenn es unerwartete Erscheinungen betrifft.« Leider war jetzt der Meisterdetektiv, wie gesagt, zum Militärdienst einberufen, und er stürmte blindlings weiter, nur schwach an dem Auto interessiert, das sich deutlich entfernte und verschwand.
    Sixtus fing an ungeduldig zu werden. Jonte, der den Schulre-kord über hundert Meter hielt, sollte einen günstigen Augenblick abpassen und versuchen, Kalle zu kreuzen und in Sixtus’ wartende Arme zu treiben.
    Und der günstige Augenblick kam. Es gab an einer Stelle eine Sackgasse, und da nahm Jonte seine Chance wahr: In diese Richtung sollte Kalle abbiegen. So geschah es zu Kalles Überraschung, daß er plötzlich in seinem Lauf durch Jonte, der wie aus dem Nichts vor ihm auftauchte, abgestoppt wurde. Er wagte nicht, sich durchzuschlagen, denn selbst wenn ihm dies glücken sollte, würde es doch so viele kostbare Sekunden kosten, daß Sixtus und Benka es geschafft hätten, zu Jontes Unterstützung heranzukommen.
    »Na«, schrie Sixtus aus weniger als zehn Schritt Entfernung,
    »jetzt bist du reingefallen, jetzt knallt es, glaube ich!«
    »Denkst du dir so«, sagte Kalle und schwang sich im letzten Bruchteil einer Sekunde über den Zaun, der die Straße nach der einen Seite abgrenzte.
    Er landete in einem dunklen Hof, und schnell wie ein aufgescheuchter Troll rannte er quer hinüber. Die Roten waren ihm auf den Fersen! Er hörte dumpf, wie sie über den Zaun setzten.
    Aber er blieb nicht stehen, um zu horchen. Er war zu sehr damit beschäftigt, nach einer Gelegenheit auszuspähen, wie er wieder auf die Straße hinauskommen konnte, ohne hier an der anderen Seite über den Zaun zu müssen. Denn wie nun auch der Besitzer dieses Zaunes heißen mochte – er hatte auf jeden Fall eine sehr verkehrte Einstellung zu dem Krieg zwischen den Weißen und Roten Rosen. Sonst hätte er bestimmt nicht seinen Zaun mit einem so widerlichen Stacheldraht gesichert.
    »Lieber Himmel, was tue ich nur?« flüsterte Kalle ratlos vor sich hin. Zeit zum Überlegen hatte er nicht. Was geschehen sollte, mußte augenblicklich geschehen. Er kroch schnell hinter eine Kehrichttonne und hockte dort mit wild klopfendem Herzen. Vielleicht gab es den Schimmer einer Möglichkeit, daß ihn die Roten nicht entdeckten. Aber sie waren absolut in seiner Nähe. Sie flüsterten halblaut miteinander und suchten, suchten nach ihm in der Dunkelheit.
    »Über den Zaun kann er nicht geklettert sein«, sagte Jonte.
    »Sonst würde er noch im Stacheldraht hängen. Das weiß ich genau – ich habe Erfahrung, weil ich es selbst einmal versucht habe.«
    »Der einzige Ausgang aus dem Hof ist dort durch die Veranda des Hauses«, sagte Sixtus.
    »Die Veranda der alten Karlsson – schrecklich!« stöhnte Jonte, der den Rackerberg und seine Bewohner nach Strich und Faden kannte. »Die alte Karlsson ist wie eine giftige Spinne –schrecklich!«
    Was ist schlimmer, dachte Kalle hinter seiner Tonne, von den Roten oder von der Karlsson geschnappt zu werden? Das möchte ich zu gern wissen. Die Roten suchten weiter.
    »Ich bin sicher, daß er hier irgendwo auf dem Hof steckt«, beteuerte Benka. Er schnüffelte überall umher, und schließlich entdeckte er Kalles Schatten hinter der Kehrichttonne.
    Benkas Jubelschrei, wild, aber gedämpft, erweckte neues Leben in Sixtus und Jonte. Noch mehr: erweckte es auch bei Frau Karlsson! Diese Dame war schon seit geraumer Zeit durch eigenartiges Gepolter in ihrem Hinterhof beunruhigt worden, und sie war nicht gewillt, das eigenartige Gepolter in ihrem Hinterhof zu dulden, wenn sich dagegen etwas tun ließ.
    Kalle hatte sich zu diesem Zeitpunkt dafür entschieden, daß selbst das größte Risiko immer noch besser war, als von den Roten gefangengenommen zu werden, und mochte daraus auch ein ausgewachsener Hausfriedensbruch bei der auf dem Rackerberg am meisten gefürchteten Person entstehen. Er entglitt mit einigen Millimetern Zwischenraum Sixtus’ greifenden Fäusten und setzte mit

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