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Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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ihn hörten, steckten sie eilends die Köpfe durch die offene Bodenluke.
    »Aha, du hast es geschafft«, sagte Anders zufrieden.
    »Ja, ihr sollt gleich hören«, sagte Kalle.
    Über das Hauptquartier, wo allerlei Plunder sich an den Wänden drängte, warf eine Taschenlampe ihren dürftigen Schein. In diesem Schein saßen die drei Weißen Rosen mit gekreuzten Beinen und genossen die Geschichte von Kalles wun-dersamer Rettung.
    »Gut gemacht, mein Tapferer«, lobte Anders, als Kalle aufgehört hatte.
    »Für den ersten Kriegstag, finde ich, hat die Weiße Rose tadellos abgeschnitten«, sagte Eva-Lotte.
    Da hörte man eine Frauenstimme: »Eva-Lotte, wenn du nicht augenblicklich hereinkommst und zu Bett gehst, bitte ich Vater, daß er dich holt.«
    »Ja, ja, ich komme«, antwortete Eva-Lotte, und ihre treuen Mitkämpfer erhoben sich, um zu gehen.
    »Also wir sehen uns dann morgen«, sagte Eva-Lotte und lachte zufrieden in sich hinein. »Die Rötlichen dachten, sie könnten den Großmummrich erwischen, hahaha!«
    »Da haben sie sich aber schön in den Finger geschnitten«, meinte Kalle, ebenfalls lachend.
    »Siehe, in dieser Nacht, da fingen sie nichts«, sagte Anders und ließ sich übertrieben würdevoll als letzter am Seil herab.

SIEBTES KAPITEL
    Kann es wohl auf der Welt einen Platz geben, der noch schläfriger, ruhiger und an Sensationen ärmer ist als diese kleine Stadt?
    dachte Frau Lisander. Aber wie sollte auch in einer solchen Hitze etwas passieren? Sie schlenderte langsam zwischen den Marktständen umher und wählte zerstreut unter den Waren, die dort für die Beschauer ausgebreitet lagen. Es war Markttag, und viele Menschen waren auf den Straßen und dem Markt, und eigentlich hätte die ganze Stadt vor Leben und Treiben bersten müssen. Aber das tat sie nicht. Sie duselte wie immer. Das Wasser im Springbrunnen vor dem Rathaus rieselte schläfrig und leise aus dem Rachen der Bronzelöwen, und die Bronzelöwen selbst sahen auch schläfrig aus. Die Musik im Konditoreigarten unten am Fluß spielte schläfrig und leise eine Art Nachtmusik –mitten am hellen Vormittag. Die Sperlinge, die zwischen den Tischen heruntergefallene Kuchenkrümel aufpickten, hüpften hier und da mit kleinen aufgedunsenen Sprüngen, aber auch sie sahen schläfrig aus.
    Alles schläfrig hier, dachte Frau Lisander.
    »Es scheint, als wolle es ein Gewitter geben«, sagten die Menschen zueinander.
    Da kam Eva-Lotte angesprungen. Endlich ein Mensch, der nicht schläfrig aussieht! dachte Frau Lisander. Sie betrachtete ihre kleine Tochter zärtlich und fing in ihrem Blick alle Einzelheiten auf: das fröhliche Gesicht, die munteren blauen Augen, das blonde zerzauste Haar und die langen braungebrannten Beine, die unter einem hellen, frisch gebügelten Sommerkleid hervorsahen.
    »Wo willst du hin?« fragte Frau Lisander und gab ihr eine Handvoll Kirschen.
    »Das darfst du nicht wissen«, sagte Eva-Lotte, Kerne aus-spuckend. »Geheimer Auftrag! Ungeheuer geheimer Auftrag!«
    »Aha! Na, sieh nur zu, daß du rechtzeitig zum Mittagessen zurück bist.«
    »Für wen hältst du mich eigentlich?« fragte Eva-Lotte. »Ich bin noch nie zu einem Mittagessen zu spät gekommen, seit ich den Zwiebackbrei versäumte – damals am Tag meiner Taufe!«
    Frau Lisander lachte ihr zu. »Du bist mein Liebes«, sagte sie.
    Eva-Lotte nickte zu dieser selbstverständlichen Tatsache und setzte ihre Reise über den Markt fort. Kirschkerne markierten ihren Weg.
    Die Mutter stand noch einen Augenblick und sah ihr nach.
    Und auf einmal hatte sie ein ängstliches Gefühl in der Herzge-gend. Herr Gott, wie schmal war das Mädchen im Genick! Wie sah sie auf irgendeine Weise doch so klein und hilflos aus. Es war wirklich nicht allzulange her, seit sie ihren Zwiebackbrei gegessen hatte, und nun lief sie da umher mit »geheimen Aufträgen«! War das richtig? Sollte man nicht etwas besser auf sie achten?
    Frau Lisander seufzte und ging langsam heimwärts. Sie hatte das Gefühl, daß die Wärme sie bald verrückt machen würde, und da war es doch wohl besser, sich in des eigenen Hauses Schutz und Mauern zu befinden.
    Eva-Lotte litt gar nicht unter der Hitze. Sie genoß sie genauso, wie sie das Treiben in den Straßen und den Saft der herrlichen Kirschen genoß, der durch ihre Kehle rann. Es war Markttag, und sie mochte Markttage gern. Ja, wenn sie genau nachdachte, mochte sie alle Tage – außer denen, an welchen in der Schule Handarbeitsstunde war. Aber jetzt waren ja

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