Kalle Blomquist
einem Hechtsprung in Frau Karlssons Veranda, um von dort weiter auf die Straße zu schlüpfen. Aber jemand kam ihm in der Dunkelheit entgegen. Und dieser Jemand war Frau Karlsson! Sie war in persönlicher Angelegenheit unterwegs: Sie wollte dem geheimnisvollen Gepolter ein Ende bereiten, gleichviel, ob Ratten oder Einbrecher oder seine Majestät der König selbst die Urheber waren. Frau Karlsson war nämlich der Meinung, daß auf gerade diesem Hinterhof kein anderer berechtigt war, geheimnisvoll zu poltern als nur sie selbst.
Als Kalle wie ein aufgeschreckter Hase angesaust kam, war Frau Karlsson allerdings so überrascht, daß sie ihn vor Erstaunen glatt an sich vorbeiließ. Aber ihm auf den Fersen folgten Sixtus und Benka und Jonte, und sie alle landeten in Frau Karlssons ausgebreiteten Armen. Sie preßte sie an sich und schrie mit der Stimme eines Feldwebels:
»Aha, hier rennen kleine Strolche umher! Auf meinem Grund und Boden! Das geht zu weit! Das geht entschieden zu weit!«
»Verzeihung«, sagte Sixtus, »wir wollten nur …«
»
Was
wolltet ihr nur?« schrie Frau Karlsson. »Was wolltet ihr nur … nur auf meinem Hof – was?«
Mit einiger Mühe gelang es den dreien, sich aus ihrer eisernen Umarmung zu befreien.
»Wir wollten nur …« stammelte Sixtus, »wir wollten … Wir haben uns verirrt … Es war so dunkel, ja!«
Und damit rannten sie weiter, ohne auf Wiedersehen zu sagen.
»So! Versucht es nur, euch noch einmal auf meinem Hof zu verirren!« rief ihnen Frau Karlsson nach. »Dann werde ich euch von der Polizei auf den rechten Weg bringen lassen – damit ihr es wißt!«
Aber die Roten Rosen hörten nichts mehr. Sie waren schon draußen auf der Straße. Wo war jetzt Kalle? Sie blieben stehen und horchten. In einiger Entfernung hörten sie das leichte Tapp-Tapp seiner Füße und folgten ihm schnell.
Zu spät entdeckte Kalle, daß er wieder in einer Sackgasse war. Diese kleine Straße endete ja unten am Fluß – das hatte er vergessen! Natürlich konnte er sich ins Wasser stürzen und an das andere Ufer schwimmen, aber das brachte unnötigen Ärger wegen der nassen Kleider mit sich, wenn man nach Hause kam.
Auf jeden Fall wollte er erst andere noch mögliche Auswege bedenken.
Friedrich mit dem Fuß! Das war der rettende Gedanke.
Friedrich mit dem Fuß wohnt in dem kleinen Haus. Er wird mich sicher verstecken, wenn ich ihn darum bitte. Friedrich mit dem Fuß war der gutmütigste Strolch der Stadt und ein großer Gönner der Weißen Rosen. Wach war er noch, denn es schien Licht aus seinem Fenster. Ein Auto stand vor der Tür.
Merkwürdig, wie viele Autos heute abend auf dem Rackerberg waren! Hatte er dieses vorhin gehört? wunderte sich Kalle.
Lange Zeit zum Überlegen hatte er aber nicht. Schon hörte er, wie seine Feinde die Straße entlanggaloppierten. Er besann sich also nicht mehr lange, sondern riß die Tür zu Friedrichs Wohnung auf und stürzte hinein.
»Guten Abend, Friedrich«, begann er eilig, unterbrach sich aber sofort. Friedrich war nicht allein. Friedrich lag in seinem Bett, und bei ihm saß Doktor Forsberg und fühlte Friedrichs Puls. Und Doktor Forsberg, der Stadtarzt, war niemand anders als Benkas Vater.
»Ergebenster Diener, Karlchen«, sagte Friedrich mit dem Fuß matt. »Hier liegt ein fremder Friedrich. Elend und schlechter als schlecht. Sterbe sicher bald. Du solltest nur mal hören, wie es in meinem Bauch rumort.«
Bei anderer Gelegenheit wäre es für Kalle ein Vergnügen gewesen zu hören, wie es in Friedrichs Bauch rumorte, aber im Augenblick war es das nicht. Doktor Forsberg schien ein wenig nervös über die Unterbrechung, und Kalle konnte verstehen, daß er mit Friedrich allein sein wollte, wenn er ihn untersuchte.
Es blieb ihm anscheinend nichts anderes übrig, als sich erneut in die Gefahren der Straße zu stürzen.
Aber Kalle hatte die Intelligenz der Roten unterschätzt. Sie rechneten sich sofort aus, daß er zu Friedrich geflohen war, und nun kamen sie eilends hinterher. Benka war der erste. »Ha, du Läusepudel, habe ich dich endlich auf frischer Tat ertappt?« schrie er.
Doktor Forsberg wandte sich um und sah direkt in das erhitz-te Gesicht seines Sohnes. »Sprichst du mit mir?« fragte er.
Benkas Kinnlade verlor vor Bestürzung ihren Halt – antworten konnte er nicht.
»Handelt es sich um eine Art Stafettenlauf durch Friedrichs Krankenzimmer«, fuhr Doktor Forsberg fort, »oder warum rennst du so spät noch umher?«
»Ich … ich … ich wollte
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